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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Autoren: Stefan Baron
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Ein privater »Apero« für enge Mitarbeiter und langjährige Wegbegleiter im Frankfurter Städel-Museum, ein Abschiedsessen im Kreise von Aufsichtsrat und Vorstandskollegen am Vorabend der Hauptversammlung in der Villa Sander, dem Gästehaus der Bank gleich neben den Doppeltürmen, das war’s. Keine »Joe-Show«. Keine der zu solchen Anlässen üblichen Feierlichkeiten mit Honoratioren und Festreden wie kurz zuvor zur Verabschiedung des EZB -Präsidenten Jean-Claude Trichet. Sparkassen-Präsident Heinrich Haasis, der kurz darauf ebenfalls in den Ruhestand geht, braucht sich keine Sorgen zu machen, dass ihm der Deutschbanker die Schau stiehlt.
    Ein Gefühl dafür, wie es auch hätte sein können, bekommen nur die Gäste eines festlichen Abendessens (Dresscode: Smoking), das die für ihre ausgeklügelten Gastmähler bekannte Industriellenwitwe Gabriele Henkel im März zum Abschied von Josef Ackermann in ihrer Villa in Hösel bei Düsseldorf veranstaltet. Dabei sind unter anderem der Entertainer Harald Schmidt, der Schauspieler Bruno Ganz, die Künstler Günter Uecker und Andreas Gursky sowie der Buchautor Peter Scholl-Latour. Der Abend endet mit einem minutenlangen Goldregen am dunklen Nachthimmel. Zum Abschluss des Feuerwerks steht »Alles Gute« am Firmament über Rhein und Ruhr. Und die Gastgeberin sagt zu ihrem Ehrengast: »Vergessen Sie Ihre deutschen Freunde nicht!«
    Auf seine letzte Hauptversammlung hat sich Josef Ackermann besonders gründlich vorbereitet, immer wieder Veränderungen an seinem Redetext, den Schaubildern für die Großleinwand auf der Bühne und dem kurzen Film vornehmen lassen, in dem Menschen aus aller Welt ihre Meinung zu der Bank äußern. Noch penibler als sonst hat er die Sicherheitsmaßnahmen und die Einstellung des Teleprompters überprüft, um ja jede Störung und Panne auszuschließen.
    Als der Versammlungsleiter Clemens Börsig an diesem Donnerstagmorgen kurz nach zehn das Aktionärstreffen eröffnet, ist die Halle, in der gewöhnlich Popkonzerte stattfinden, bis auf den letzten Platz gefüllt, sogar in den Fluren stehen die Menschen. Sie wollen den »umstrittensten und erfolgreichsten Banker Europas« ( Zeit ), den »Weltstaatsmann« ( Handelsblatt ) und »Pop-Star« ( New York Times ) ein letztes Mal live erleben.
    Es ist auch Börsigs letzte Hauptversammlung bei der Deutschen Bank. Der Chefkontrolleur bedenkt den scheidenden Vorstandsvorsitzenden mit unerwartet warmen Lobesworten. Eine »Epoche« gehe zu Ende, sagt er, den »strategischen Entscheidungen« Ackermanns sei es zu verdanken, dass die Bank keine Staatshilfe gebraucht habe und »als Gewinnerin aus der Finanzkrise« hervorgegangen sei. Und, direkt an den Schweizer gerichtet: »Lieber Joe, dieser Erfolg wird immer mit Ihrem Namen verbunden bleiben.«
    In dem Moment erheben sich die vielen Tausend Menschen in der Halle, um stehend Beifall zu spenden. Josef Ackermann ist freudig überrascht, strahlt übers ganze Gesicht und hebt abwehrend die Hände.
    Als er später für seinen Rechenschaftsbericht selbst ans Rednerpult tritt, diesmal mit bordeauxroter statt der üblichen blauen Krawatte, zeigt auch er sich versöhnlich und lobt die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsratschef. Man spürt, diesen letzten gemeinsamen Tag in der Bank wollen die beiden Spitzenleute nicht belasten, sie ordnen ihr Ego dem Gesamtinteresse unter. Im Saal mag zwar so mancher denken: Welch schrecklich nette Familie! Die große Mehrheit der Aktionäre aber weiß die Disziplin zu schätzen.
    Seine letzte Rede als Deutsche-Bank-Chef beginnt der Schweizer sehr persönlich und emotional: Der heutige Tag sei für ihn »ein Tag der Wehmut, vor allem aber der Freude«, sagt er. Er empfinde »Wehmut« beim Abschied von einem Land, das ihn »mit offenen Armen empfangen und stets mit Offenheit begleitet« habe. Vor allem aber freue er sich, weil er »eine gute Abschlussbilanz vorlegen« und die Bank »in guter Verfassung« in die Hände seiner Nachfolger übergeben könne.
    Dann spricht der scheidende Bankchef gleich den für Aktionäre empfindlichsten Punkt seiner Bilanz an, den Kurs der Aktie. Zehn Jahre zuvor, als er an die Spitze des Instituts vorgerückt war, hatte er versprochen, das Haus wieder in die Gruppe der gemessen am Börsenwert zehn stärksten Banken der Welt zurückzuführen, der sie früher einmal angehört hatte. Dieses Ziel hat er jedoch weit verfehlt. Infolge der Finanzkrise und der europäischen Staatsschuldenkrise ist der Börsenwert seines
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