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Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)
Autoren: Walter Kempowski
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Zimmer zu Zimmer:«Dieses Haus ist wie eine Umarmung», sagt sie. Wir umarmen uns selbst, wie die Droschkenkutscher früher, im Winter, wenn ihnen kalt war.
     
    Wenn’s nicht gerade die drei Buchstaben wären G-A-S … Jetzt kommt heraus, daß die Amerikaner die Raketenabschußvorrichtungen der Iraker bezahlt haben, 2 Mia. Dollar.
    Aber auf den Listen werden nur deutsche Lieferanten aufgeführt.
    100 irakische Flugzeuge sind im Iran gelandet. Saddam flüchtet sich in den Schutz seines ehemaligen Todfeindes. Ein mysteriöser Krieg. Weshalb kämpfen die nicht? Niemand erklärt uns das.
    BRD zahlt 8 Mia. an Amerika, als Zuschuß für den Krieg. Deutsches Blut soll nicht fließen.
    Der Bundespräsident hat amerikanische Soldatenfrauen in Wiesbaden besucht, deren Männer«im Felde»stehen.
    «Mutter der Schlachten»heißt ein irakischer Radiosender.

Nartum Di 29. Januar 1991
     
    Zum Golfkrieg:
    ZDF-Reporter fragt, ob Israels Bevölkerung es aushält, jeden Tag Alarm?
    Der 2. Weltkrieg: Du meine Güte! Dresden, Hamburg, Köln... alles vergessen? Damals hatten wir sogar stündlich Alarm. Israelische Muttis, hübsch, mit Kindern auf dem Arm. Israelische Soldatinnen. Das sind so Sachen.
    Um 22 Uhr heißt es, daß schon Gefechte da unten stattgefunden haben. Eine Panzerschlacht.
    Es ist schon interessant, was sich der schlau-böse Saddam H. alles noch ausdenkt. So was hatten wir noch nicht.
    Der Krieg habe ja noch gar nicht angefangen, sagt der Saddam lächelnd im Interview (3Sat, 22.30 Uhr). So was macht Eindruck. Als ob er irgendwelche Fallgruben vorbereitet hat.
    Dieser Tag ist in gewisser Weise ein Höhepunkt der bisherigen Entwicklung.
    Saddams Drohung, Erwartung der Regierungserklärung morgen, wahnsinnig interessante Gespräche. Stürmer, der Professor.
    Die öffentliche Meinung scheint sich nun endlich knarrend gegen S. H. zu wenden. Wird ja auch Zeit. Bisher waren USA der Buhmann.
    Wenn es nicht zum Krieg gekommen wäre, wäre das Völkerrecht ein Hohn (Stürmer), Krieg sei unausweichlich gewesen. China, Frankreich und die SU waren es, die Irak groß gemacht haben.
     
    Talk-Show:
    Die Seebacher-Brandt fragt zu Recht, warum der Bundeskanzler nichts sagt.
    Regierung sei nicht auf der Höhe gewesen.
    Eberhard Jäckel.
    Regierung mußte sich neu bilden (Jäckel) in der Zeit der Entscheidung. Wieso unsere?
    Ich kann den Ausdruck«auf die Straße gehen»nicht ertragen. Elitz:«Wo ist Europa?»- Wo soll’s schon sein? Jeder kocht sein eignes Süppchen.
    Herbert: Regierung muß sich vorsichtig verhalten, wegen der«Wende»und der 350 000 sowjetischen Soldaten, die noch immer auf deutschem Boden stationiert sind. Wer denkt schon über Konflikte vorher nach? Es sei viel gefeiert worden in einer Zeit, in der man über nahende Konflikte hätte nachdenken sollen.
    Kinder werden immer erst dann aus dem Brunnen geholt, wenn sie reingefallen sind.
    Stürmer:«Niemand ist gezwungen, den Krieg schön zu finden. »
    Seebacher-Brandt:«Zunehmend nationale Töne bei den Franzosen und Briten.»
    Elitz:«In der ersten entscheidenden Bewährungsprobe haben wir festzustellen: Europa existiert nicht.»
    Irgendeiner sagte heute, daß im Krieg, in jeder Schlacht 40% der Soldaten wegen Angst ausfallen.
     
    Im II. WK gab’s das nicht, Angst. Bei den Amis ja, da kam gleich der Seelsorger (am D-Day). Ein Buch schreiben über durchgedrehte Stuka-Flieger. Im I. WK, die«Schüttler». Nach 1918 verschwanden sie sofort? Otto Dix hat einen dieser bedauernswerten Menschen gemalt.
     
    Warnemünde, Rostock, Wismar
    Kurze Tour nach Warnemünde, Rostock und Wismar.
    Warnemünde: Im Spielzeuggeschäft zwei NVA-Soldaten für 20 Pfennig gekauft.
    Ein Mann:«Warum sind denn hier so wenig Läden?»
    Verkäuferin:«Die Häuser sind privat, da kann man nichts machen …»(Die kann man nicht zwingen …)
    Mann:«Die Verarschung geht weiter.»
    Miesmachen auf Deubel komm raus, koste es, was es wolle.
    Der Pastor, er hat viel zu tun, sagt er, Militärseelsorge, Schulen, Administratives:«Man muß den Leuten Zeit lassen. Die möchten es sofort so haben wie drüben. Keine Geduld.»
    Die Fernsehleute wunderten sich,«daß ich das so gut kann», vor der Kamera agieren.
    Der DFF sei unglaublich objektiv in der Golf-Berichterstattung (weil er gegen Golf-Einsatz ist).
     
    Die St.-Georgenkirche in Wismar, da geht’s mächtig ran, sogenannte Sicherungsmaßnahmen. Ich nahm einen Ziegel mit.
    In«ländlichen Kaufhäusern»kaufte ich ein bißchen DDR-Larifari. Draußen
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