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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei
Autoren: Manuela Martini
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schleiche ums Haus. Das erste Kellerfenster ist vergittert. Mist! Ich gehe weiter. Meine Hose bleibt an einem stachligen Zweig hängen, meine Haare verheddern sich in Ästen, mein Fuß versinkt in einem besonders weichen Blumenbeet – super! Ich hinterlasse auch noch Spuren wie ein Elefant!
    Endlich! Zwischen zwei Oleandern entdecke ich ein angelehntes Fenster, beinahe wäre ich daran vorbeigelaufen.
    Ich stoße es auf, werfe erst meine Tasche hinunter, dann bücke ich mich und klettere hindurch, mit den Füßen zuerst. Die Enge versetzt mich in Panik. Ganz ruhig, Ziska, du kannst nicht stecken bleiben, so eng ist es nun auch wieder nicht, versuche ich mich zu beruhigen. Aber es ist wie in einem meiner anderen Albträume, in dem es nur eine schmale Luke aus meiner Gefängniszelle gibt, durch die kaum mein Kopf hindurchpasst. Und dennoch versuche ich durchzukriechen. Aber ich bleibe stecken und kann mich weder vor- noch zurückbewegen. Meistens wache ich schweißgebadet auf.
    Das hier aber ist kein Traum und ich bleibe auch nicht stecken. Meine Füße landen sicher auf festem Betonboden. Die Waschküche, stelle ich auch ohne Licht fest. Mit Trockner und Waschmaschine. Es riecht nach Waschmittel und ein bisschen nach Moder. Ich stelle meine Tasche auf der Waschmaschine ab, ohne sie kann ich mich einfacher durchs Haus bewegen. Ich gehe zur Tür, mache sie leise auf und sehe in den Kellergang. Kein Geräusch. Nichts. Leonie ist sicher längst auf der Party. Nadia wahrscheinlich auch.
    Es ist ein seltsames Gefühl, durch ein fremdes Haus zu schleichen, in dem andere Menschen leben, in dem es nach ihnen riecht, wo alles von ihnen eingerichtet und gestaltet wurde. Ich bin ein Eindringling – und alles, Möbel und Wände, Bücher und Bilder, scheinen mich feindselig zu beobachten.
    An Nadias Tür bleibe ich kurz stehen. Sie steht halb offen, der Raum dahinter ist dunkel. Ich denke an die Poster ohne Gesichter und ein Schauder läuft über meinen Rücken. Aber Nadia ist definitiv weg. Beruhigt gehe ich weiter zu Leonies Zimmer, dessen Tür ganz offen steht. Auch da ist alles dunkel.
    Es riecht nach Leonies Parfüm. Das fahle Laternenlicht, das durch die Fensterscheiben fällt, erhellt schwach den Raum. Unordnung überall. Klamotten und Schuhe liegen verstreut auf dem Teppich und auf ihrem ungemachten Bett. Die Schranktüren stehen auf. Bestimmt hat sie sich für heute Abend x-mal umgezogen. Aber die Schnipsel liegen nicht mehr auf dem Boden. Ich knie mich auf den weichen Teppich, sehe unter dem Bett nach, nichts. Ich stülpe den Papierkorb neben ihrem Schreibtisch um, zusammengeknüllte Papierseiten kullern vor meine Füße, ich falte eins auseinander.
    Auf der Seite steht nur ein Satz:
    Du kommst nicht einfach so davon! Bleib, wo du bist, oder du wirst es bitter bereuen!
    Ich greife nach einem anderen Papierknödel, falte ihn mit zitternden Fingern auf.
    Lass dich nie wieder hier blicken, Mörderin!
    Leonie… sie hat die Briefe geschrieben. Sie hat sie eingeworfen, in München, in Prien, wollte mich einschüchtern, wollte, dass ich gar nicht erst komme, und dann, dass ich wieder nach Hause fahre.
    Ich wühle mich weiter durch den Papierberg, doch ich kann die Postkartenschnipsel nicht finden.
    Rasch stecke ich die beiden Briefentwürfe in meine Hosentasche.
    Hat sie die Papierschnipsel ins Klo geworfen? Oder…
    Hinter ihren Harry-Potter-Bänden hat Leonie die Schatulle versteckt, erinnere ich mich. Ich ziehe die Bücher heraus. Dahinter ertasten meine Hände die muschelbesetzte kleine Truhe.
    Den Schlüssel trägt Leonie um den Hals. Egal, ich kann das Kästchen auch aufbrechen. Ich sehe mich nach einem geeigneten Gegenstand um. Ein Brieföffner vielleicht? Mein Blick schweift über Leonies Schreibtisch, als mich plötzlich ein Geräusch innehalten lässt.
    Ein Knirschen. Wie von Schritten auf Kies. Vorsichtig versuche ich, aus der Entfernung aus dem Fenster auf den Weg hinunterzusehen.
    Vivian und Leonie!
    Erschrocken ducke ich mich. Hoffentlich haben sie mich nicht gesehen! Ich muss hier raus! Ich schnappe mir die Schatulle und renne aus dem Zimmer. Die Bücher! Egal, keine Zeit mehr! Sie würden sowieso gleich nach der Schatulle suchen.
    Ich stolpere die Stufen hinunter, kann mich gerade noch unter der Treppe verstecken, als sich auch schon der Schlüssel im Türschloss dreht. Immerhin! Von der oberen Etage aus wäre ich nicht mehr nach unten gekommen, wenn sie erst mal hier drin gewesen wären.
    Das Kästchen fest an
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