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Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Titel: Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
Autoren: Melissa Marr
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nicht weiterverfolgen, Leslie.«
    Ani und Tish spähten um die Ecke, winkten und liefen dann zur Stereoanlage. Eine düsterere Musik mit dumpfen Bässen und einem fauchenden Gesang erklang und wurde so laut gedreht, dass Leslie das Schlagzeug spüren konnte.
    »Ani!« Rabbit sah seine Schwester böse an.
    »Der Laden ist doch leer.« Ani schob die Hüfte vor und sah ihn ohne ein Zeichen von Reue an. Sie gab nie klein bei, ganz egal, wie gereizt Rabbit klang. Aber sie hatte von ihm auch nichts zu befürchten. Rabbit behandelte seine Schwestern, als wären sie das Kostbarste auf der ganzen Welt. Das war einer der Gründe, warum Leslie sich in seiner Gegenwart so geborgen fühlte. Männer, die ihre Familien gut behandelten, waren ungefährlich und vertrauenswürdig  – Männer wie ihr Vater und ihr Bruder dagegen eher nicht.
    Rabbit sah Leslie ein paar Sekunden unverwandt an und sagte dann: »Schnelle Lösungen sind nicht das, was du brauchst. Du musst dich dem stellen, wovor du wegläufst.«
    »Ach, bitte, Rabbit! Ich will es aber.« Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Rabbit interpretierte zu viel da hinein, und sie war nicht hier, um sich aufmunternde Phrasen anzuhören. Sie wollte etwas, wofür sie keine Worte fand – Frieden, Betäubung, irgendwas . Sie sah ihn an und dachte darüber nach, wie sie ihn überzeugen könnte und warum er ihr nicht helfen wollte. »Bitte, Rabbit« war alles, was sie sagen konnte.
    Da senkte er den Blick und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Sie gingen durch den kurzen Gang zu seinem Büro. Rabbit schloss auf und führte sie in den winzigen Raum.
    Sie blieb direkt hinter der Tür stehen. Ihr Gefühl von Sicherheit schwand etwas, aber noch war alles okay. Der Raum war nicht groß genug für all die Sachen, die Rabbit dort hineingezwängt hatte. Ein massiver Schreibtisch aus dunklem Holz und zwei Aktenschränke nahmen die hintere Wand ein. Eine lange Tischplatte mit verschiedenen Werkzeugen und Hilfsmitteln darauf erstreckte sich über die ganze Länge der rechten Wand. Und an der dritten Wand gab es die gleiche Tischplatte noch einmal, diesmal jedoch mit zwei Druckern, einem Scanner, einem Projektor und einer Reihe von unbeschrifteten Gefäßen.
    Rabbit zog einen weiteren Schlüssel aus der Tasche und schloss eine der Schreibtischschubladen auf. Wortlos nahm er ein dünnes braunes Buch heraus, in dessen Einband Wörter geprägt waren. Dann setzte er sich auf seinen Schreibtischstuhl und sah sie an, bis sie am liebsten weggelaufen wäre, weil alles, was sie über ihn wusste, mit einem Mal wie weggeblasen schien und er ihr plötzlich doch nicht ungefährlich vorkam.
    Das ist doch Rabbit.
    Dieser Anflug von Angst war ihr peinlich. Rabbit war für sie wie der ältere Bruder, den sie sich gewünscht hätte, ein wahrer Freund. Er hatte sie nie anders als mit Respekt behandelt.
    Sie ging zum Schreibtisch und setzte sich darauf.
    Er sah sie an. »Wonach suchst du denn?«
    Sie unterhielten sich nicht zum ersten Mal darüber; daher war ihr klar, dass er nicht wissen wollte, welche Art von Motiv sie suchte, sondern was es ausdrücken sollte. Bei einem Tattoo ging es nicht um das Motiv an sich, sondern um das, was es bedeutete.
    »Sicherheit. Ohne Angst und Schmerz sein.« Sie konnte ihn nicht ansehen, während sie es aussprach – aber sie sprach es aus. Das war schon viel wert.
    Rabbit schlug das Buch ungefähr in der Mitte auf und legte es auf ihren Schoß. »Hier. Das sind meine Entwürfe. Sie sind was Besonderes. Sie sind wie … Symbole der Veränderung. Falls das, was du brauchst, dabei ist … Fühlt sich irgendeins davon an wie das, was du brauchst?«
    Die Seite war vollständig mit Motiven bedeckt: komplizierten Celtics; Augen, die hinter dornigen Ranken hervorspähten; bösartig grinsenden Gestalten mit grotesken Körpern; Tieren, die so krass und unwirklich aussahen, dass man sie nicht lange anschauen konnte; Symbolen, vor denen ihre Augen auswichen, kaum dass sie hinsah. Diese Bilder waren atemberaubend, verführerisch und abstoßend zugleich, bis auf eins, das sie sofort elektrisierte: Tintenschwarze Augen schauten durch schwarze und graue Ornamente hindurch zu ihr hoch; sie waren von Flügeln eingerahmt, die wie ineinander verschmelzende Schatten aussahen, und in der Mitte prangte ein Chaosstern. Acht Pfeile zeigten vom Zentrum weg; vier von ihnen waren dicker, wie der Umriss eines Kreuzes.
    Meins . Der Gedanke, das Bedürfnis, die Reaktion waren überwältigend.
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