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Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Titel: Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
Autoren: Melissa Marr
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merkte Ash, dass sie beobachtet wurde.
    Sofort schaltete sie wieder auf ungerührt um. »Manchmal wünschte ich, ich könnte … Aber ich glaube, das ist einfach keine gute Idee.«
    Rianne öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, aber Leslie schüttelte den Kopf. »Lass uns mal für eine Sekunde allein, Ri. Ich komm dann nach.«
    Nachdem Rianne gegangen war, schaute Leslie Ashlyn in die Augen. »Ich wünschte, wir würden das mal lassen …« Sie wedelte mit der Hand zwischen ihnen hin und her.
    »Was meinst du?« Ashlyn wurde in dem Flurlärm so still, dass es Leslie so vorkam, als wäre der ganze Trubel für einen Augenblick verschwunden.
    »Na, diese Lügerei.« Leslie seufzte. »Ich vermisse die Zeit, als wir noch richtige Freundinnen waren, Ash. Ich werde mich schon nicht in deiner Szene breitmachen, aber es wäre schön, wenn wir wieder ehrlich miteinander sein könnten. Ich vermisse dich.«
    »Ich lüge nicht. Ich … kann gar nicht lügen.« Sie starrte einen Moment über Leslie hinweg und warf jemandem einen finsteren Blick zu.
    Leslie drehte sich nicht um, um zu sehen, wer es war. »Aber ehrlich bist du auch nicht. Wenn du mich nicht um dich haben willst …« Sie zuckte die Achseln. »Ach, egal.«
    Ashlyn packte sie am Arm und zog sie an sich. Leslie konnte sich nicht losmachen, obwohl sie es versuchte.
    Ein Blödmann, der gerade vorbeikam, rief: »Lesben!«
    Leslies Körper verkrampfte sich. Sie war hin- und hergerissen zwischen dem spontanen Bedürfnis, ihm den Stinkefinger zu zeigen, und ihrer noch ungewohnten neuen Angst vor Konflikten.
    Die Glocke schrillte. Schließfächer knallten zu. Und schließlich sagte Ash: »Ich möchte bloß nicht, dass dich jemand verletzt. Es gibt da so Leute … und Sachen … und …«
    »Die können auch nicht schlimmer sein als …« Leslie bremste sich abrupt; sie konnte die Sätze nicht aussprechen, die ihr auf der Zunge lagen. Bei dem Gedanken, die Worte laut zu sagen, bekam sie Herzklopfen. Sie rüttelte an Ashlyns Arm. »Kannst du mich mal wieder loslassen? Ich muss noch an mein Schließfach.«
    Ashlyn ließ ihren Arm los, und Leslie ging davon, bevor sie in die Verlegenheit kommen konnte, sich Antworten auf die Fragen ausdenken zu müssen, die auf dieses Beinahe-Geständnis unweigerlich folgen würden. Darüber zu reden, ändert nichts . Manchmal war es jedoch das, was sie sich am meisten wünschte: es jemandem zu erzählen. Aber meistens wollte sie diesen schrecklichen Gefühlen einfach nur entfliehen, sich selbst entfliehen, damit da kein Schmerz, keine Angst und nichts Hässliches mehr war.

Zwei
    Nach der Schule verließ Leslie das Gebäude, bevor Ashlyn oder Rianne sich ihr anschließen konnten. Sie hatte ihre Freistunde in der Bibliothek verbracht und weiter über die Geschichte der Tätowierkunst und jahrhundertealte Traditionen der Körperbemalung gelesen. Die Gründe für diesen Körperschmuck faszinierten sie – von der Hoffnung, die Natur eines Totem-Tieres möge auf einen übergehen, über den Wunsch, wichtige Lebensereignisse festzuhalten, bis zu der Absicht, visuelle Hinweise auf die Identität Krimineller zu geben. Und was noch wichtiger war – sie spürte, dass sie das alles tief berührte.
    Als sie die Tür zum Pins and Needles aufstieß, bimmelte die Kuhglocke. Rabbit schaute über seine Schulter zur Tür.
    »Bin gleich bei dir«, rief er und fuhr sich mit der Hand über seine weiß und blau gefärbten Haare, während der Mann neben ihm auf ihn einredete.
    Leslie hob eine Hand zum Gruß und ging an ihm vorbei. Diese Woche hatte er sich ein winziges Ziegenbärtchen stehenlassen, um die Aufmerksamkeit auf sein Lippenpiercing zu lenken. Es war dieser Stecker unterhalb seiner Unterlippe, der ihr sofort aufgefallen war, als Ani und Tish sie zum ersten Mal mit in dieses Studio genommen hatten. Keine Woche später hatte sie ihr eigenes Piercing gehabt – versteckt unter ihrer Bluse –, und seither verbrachte sie viel Zeit im Tattoo-Studio.
    Dort – weit weg von der Bishop O. C., von ihrem abstoßend betrunkenen Vater und von all den Widerlingen, die Ren mit nach Hause brachte, um seine Drogen der Woche mit ihnen zu teilen – fühlte sie sich geborgen. Im Pins and Needles war sie sicher, ruhig und entspannt – was sie an den meisten anderen Orten nicht sein konnte.
    »Ja, wir verwenden jedes Mal neue Nadeln«, wiederholte Rabbit dem zukünftigen Kunden gegenüber.
    Während Leslie im Laden umherging, lauschte sie den
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