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Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Titel: Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
Autoren: Melissa Marr
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Familie würde es interessieren, was mit ihr passierte.
    Wenn Mom nicht abgehauen wäre …
    Aber sie war abgehauen. Sie war einfach verschwunden und hatte Leslie mit ihrem Bruder und ihrem Vater alleingelassen. »Es ist besser so, Süße«, hatte sie gesagt. Doch es war nicht besser. Leslie wusste nicht, ob sie je wieder mit ihrer Mutter sprechen würde – aber das war ohnehin egal, denn sie hatte keine Ahnung, wie sie sie erreichen konnte.
    Leslie schüttelte den Kopf. Darüber nachzugrübeln half ihr jetzt nicht weiter. Sie ging hinter Ren vorbei, doch er stand auf und riss sie an sich. Stocksteif lag sie in seinen Armen.
    »Was? Hast du schon wieder deine Tage?« Er lachte, weil er seinen Scherz für lustig hielt und sich darüber freute, dass sie sich ärgerte.
    »Schon gut, Ren. Vergiss die Rechnung einfach. Ich …«
    »Ich bezahl die Rechnung. Entspann dich.« Er ließ sie los, und sie wich sofort einen Schritt zurück, um zu vermeiden, dass der Gras- und Zigarettengeruch sich allzu sehr in ihren Kleidern verfing. Auch wenn sie manchmal den Verdacht hatte, dass Pater Meyers um die Veränderungen in ihrem Leben ganz genau wusste, hieß das noch lange nicht, dass sie stinkend zur Schule gehen wollte.
    Sie setzte wieder ihr falsches Lächeln auf und murmelte: »Danke, Ren.«
    »Ich kümmere mich drum. Aber merk’s dir für das nächste Mal, wenn ich dich brauche. Du bist eine prima Ablenkung, wenn ich mal wieder klamm bin«, sagte er mit einem abschätzenden Blick.
    Sie erwiderte nichts darauf. Es gab keine Antwort, die ihr weiterhalf. Wenn sie ablehnte, würde er ihr das Leben schwermachen; aber sie sagte auch nicht ja. Nach dem, was seine Drogenfreunde getan hatten – was er sie hatte tun lassen  –, würde sie sich niemals mehr in ihre Nähe wagen.
    Aber anstatt diesen Streit aufzuwärmen, fischte sie die Rechnung wieder aus dem Müll. »Danke, dass du sie übernimmst.« Eigentlich war es egal, ob er sie bezahlte oder nicht: Sie konnte unmöglich dafür aufkommen und sich das Tattoo leisten. Außerdem sah sie ohnehin nicht genug fern, als dass es sich gelohnt hätte, dafür zu zahlen. Meistens beglich sie die Rechnungen, weil ihr die Vorstellung peinlich war, irgendjemand könnte herausfinden, dass ihre Familie nicht zahlen konnte. Als ob alles wieder normal werden würde, wenn sie nur lange genug so tat, als wäre es das. Aber auf diese Weise blieben ihr zumindest das unvermeidliche Mitleid und das Getuschel darüber erspart, wie sehr ihr Vater sich gehenließ, seit Mom weg war, und wie tief ihr Bruder seitdem gesunken war.
    Im Herbst würde sie aufs College gehen, von hier entkommen, weit weg sein. Genau wie Mom. Manchmal fragte sie sich, ob ihre Mutter vor etwas geflohen war, das Leslie nicht erfahren sollte. Dann würde ihr Verschwinden irgendwie mehr Sinn ergeben. Allerdings wäre es dann noch unverständlicher, dass sie Leslie nicht mitgenommen hatte. Ist auch nicht wichtig . Leslie hatte bereits Bewerbungen an die Colleges verschickt, auf die sie am liebsten wollte. Und sie hatte sich für eine Reihe von Stipendien beworben. Nur das ist wichtig – dass ich einen Plan habe und hier rauskomme. Nächstes Jahr war sie in Sicherheit, in einer neuen Stadt, in einem neuen Leben.
    Aber das verhinderte nicht ihre aufsteigende Panik, als Ren nach dem Bourbon griff und ihr stumm zuprostete.
    Ohne ein weiteres Wort nahm sie ihre Tasche.
    »Wir sehen uns später, Schwesterherz«, rief Ren, bevor er sich seinem Pfeifenkopf zuwandte, um ihn erneut zu befüllen.
    Nein, tun wir nicht .
    Als Leslie die Stufen zur Bishop O’Connell Highschool hochging, hatte sie ihre Ängste längst wieder sorgfältig verstaut. Sie hatte inzwischen besser gelernt, die Warnsignale zu erkennen – die angespannten Telefonate, die darauf hindeuteten, dass Ren wieder mal in Schwierigkeiten steckte, die Fremden im Haus. Wenn diese Signale sich häuften, übernahm sie zusätzliche Schichten im Restaurant. Sie hatte Schlösser an ihrer Zimmertür angebracht. Und sie trank nicht mehr aus offenen Flaschen. Diese Vorkehrungen konnten zwar nichts ungeschehen machen, aber sie halfen, weiteres Unheil zu vermeiden.
    »Leslie! Warte!«, rief Ashlyn hinter ihr her.
    Leslie blieb stehen und setzte eine freundliche, entspannte Miene auf. Nicht, dass das notwendig gewesen wäre – Ashlyn lebte seit einiger Zeit ganz in ihrer eigenen Welt. Vor einigen Monaten war sie mit dem superattraktiven Seth zusammengekommen. Da die beiden auch vorher
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