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Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis

Titel: Sommerlicht Bd. 2 Gegen die Finsternis
Autoren: Melissa Marr
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er ihre Haut riechen konnte. Vor der Arbeit verströmte sie immer einen Lavendelduft, der nicht von einem Parfüm stammte, sondern von dem Shampoo, das sie in letzter Zeit benutzte. »Was treibst du denn schon wieder alleine draußen? Du weißt doch, wie gefährlich das ist.«
    Sie antwortete ihm nicht. Sie antwortete nie: Sterbliche konnten Elfen weder sehen noch hören – vor allem Sterbliche, die nach dem Willen der Sommerkönigin nicht einmal ahnen durften, dass es so etwas wie ein Elfenreich überhaupt gab.
    Anfangs hatte Niall auf Wunsch des Königs einige der Schichten von Leslies Bewachung übernommen. Solange er unsichtbar blieb, konnte er neben ihr hergehen und mit ihr sprechen – wenn sie ihn hätte sehen können, wäre das nicht möglich gewesen. Denn die Art, wie dieses sterbliche Mädchen ihn dann anschaute – als wäre er besser, als er je gewesen war, als wäre er aus sich selbst heraus attraktiv und nicht aufgrund seiner Stellung am Hof des Sommerkönigs –, war berauschend, und wenn er ehrlich war, sogar ein bisschen zu verführerisch.
    Auch ohne den Befehl der Königin hätte Niall Leslie gerne beschützt. Aber nun handelte er eben auf ihre Anordnung hin. Im Gegensatz zu Leslie hatte Ashlyn die hässliche Elfenwelt sehen können, solange sie noch sterblich gewesen war. Seit sie Sommerkönigin war, bemühte sie sich darum, mit der ebenfalls neuen Winterkönigin eine Art Gleichgewicht zu finden. Das ließ ihr zwar nicht viel Zeit, selbst für die Sicherheit ihrer sterblichen Freundinnen zu sorgen, aber es gab ihr die Macht, andere Elfen dafür einzusetzen. Normalerweise wurde ein Berater des Königs nicht mit solchen Aufgaben betraut, doch Niall gehörte schon seit Jahrhunderten so gut wie zur Familie und war daher weitaus mehr als nur ein Berater. Keenan meinte, Ashlyn hätte ein besseres Gefühl, wenn für die Sicherheit ihrer engsten Freunde ein Elf sorgte, dem sie vertraute.
    Anfangs hatte Niall nur einige wenige Schichten übernommen, doch nach und nach schob er sogar Sonderschichten, um über sie zu wachen. Bei den anderen tat er das nicht, doch sie faszinierten ihn auch nicht so wie Leslie. Leslie schwankte ständig zwischen verletzlich und unerschrocken, wild entschlossen und ängstlich. Hätte er noch sterbliche Gespielinnen gehabt wie früher, wäre sie unwiderstehlich gewesen. Doch inzwischen war er stärker.
    Besser .
    Er unterdrückte diesen Gedanken und beobachtete Leslies Hüftschwung, während sie mit einer Traute – einer Dummheit  – durch die Straßen von Huntsdale lief, die ihren eigenen Erfahrungen eigentlich zuwiderlaufen musste. Wäre sie zu Hause in Sicherheit, würde sie vielleicht heimgehen. Aber so war es nicht. Das hatte er gleich begriffen, als er zum ersten Mal vor der Haustür auf sie gewartet und ihren betrunkenen Vater und miesen Bruder gehört hatte. Ihr Zuhause mochte ja von außen betrachtet ganz hübsch wirken, aber das war eine Lüge.
    Wie so vieles in ihrem Leben.
    Er blickte hinunter auf die flachen Schuhe, die sie trug, auf ihre bloßen Waden, ihre langen Beine. Der unerwartet frühe Sommereinbruch in diesem Jahr – nach Ewigkeiten bedrückender Kälte – brachte es mit sich, dass die Sterblichen mehr Haut zeigten. Und wenn er Leslie so ansah, wollte Niall sich nicht beklagen. »Wenigstens hast du heute Abend vernünftige Schuhe an. Ich war fassungslos, als du neulich mit diesen zierlichen kleinen Schläppchen zur Arbeit gegangen bist.« Er schüttelte den Kopf. »Sahen aber hübsch aus. Na ja, eigentlich gefiel mir vor allem, dass sie den Blick auf deine Fußgelenke frei ließen.«
    Sie ging zum Restaurant, wo sie ein falsches Lächeln aufsetzen und mit den Gästen flirten würde. Er würde sie bis zur Tür begleiten und dann draußen warten, die Leute beobachten, die kamen und gingen, und sicherstellen, dass ihr keiner etwas tat. So lief es immer.
    Manchmal überließ er sich der Phantasie, wie es wohl wäre, wenn sie ihn wirklich kennenlernen, sein wahres Äußeres sehen könnte. Ob sich ihre Augen vor Angst weiten würden, wenn sie das wahre Ausmaß seiner Narbe sah? Würde sie angewidert das Gesicht verziehen, wenn sie von den schrecklichen Dingen erfuhr, die er getan hatte, bevor er an den Hof des Sommerkönigs kam? Würde sie ihn fragen, warum er seine Haare so kurz geschoren trug? Und wenn sie fragte, würde er irgendeine dieser Fragen beantworten können?
    »Würdest du vor mir weglaufen?«, fragte er leise und hasste es, dass sein
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