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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter
Autoren: P. G. Wodehouse
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bloß?«
    »Was ich habe? Da, sieh mal! Der Mann!«
    Voules übernahm es, ein paar erläuternde Worte hinzuzufügen. Vielleicht hätte er, da er und Lady Constance nicht gesellschaftlich miteinander verkehrten, schweigen sollen. Jedoch schien ihm der Verstoß gegen die Etikette durch die Wichtigkeit des Ereignisses gerechtfertigt.
    »Ein Mann klettert am Abflußrohr hoch, Milady.«
    »Was? Wo? Ich sehe niemand.«
    »Er ist gerade auf den Balkon vor einem der Gästezimmer gestiegen«, sagte der Ehrenwerte Galahad.
    Lord Emsworth kam gleich zum Kern der Sache.
    »Das ist dieser Baxter!« rief er.
    Der Tag war mittlerweile trotz der lichtsparenden Sommerzeit zu Ende gegangen, und die herannahende Nacht hatte ihren dämmrigen Mantel über die Erde gebreitet. Die Sicht war infolgedessen nicht gut, und die Gestalt, die sich da gerade über die Balkonbrüstung des Gästezimmers geschwungen hatte, war nur einem durch Einbildungskraft geschärften Auge erkennbar. Und genau so ein Auge besaß Lord Emsworth.
    Seine Kombinationen waren zwingend: Außer Baxter befanden sich zwar noch andere Erwachsene männlichen Geschlechts auf Blandings Castle, aber keiner von diesen käme auf die Idee, an Abflußrohren hochzuklettern und sich über Balkonbrüstungen zu schwingen. Für Baxter dagegen wäre dergleichen ein normaler abendlicher Zeitvertreib. Er würde bei solchem Tun Entspannung und Erholung suchen. Wahrscheinlich würde er in Kürze wieder auf dem Balkon erscheinen, um sich in die Tiefe zu stürzen. So war Baxter nun einmal – ein Mann, der an absonderlichen Dingen sein Vergnügen fand.
    Und so kam also Lord Emsworth, wie gesagt, gleich zum Kern der Sache, indem er sich erregt den Kneifer von der Nase riß und ausrief:
    »Das ist dieser Baxter!«
    Das letzte Mal war es an einem nunmehr schon lange zurückliegenden Tag im Kinderzimmer geschehen, daß Lady Constance sich dazu hatte hinreißen lassen, weit auszuholen und ihrem älteren Bruder wutentbrannt mit der flachen Hand auf den Kopf zu klatschen, und jetzt hätte sie es um ein Haar wieder getan. Vielleicht war es die Anwesenheit von Voules, was sie bewog, sich auf Worte zu beschränken.
    »Clarence, du bist ein Idiot!«
    Nicht einmal Voules’ Anwesenheit konnte sie davon abhalten, das auszusprechen. Aber schließlich verriet sie damit kein Geheimnis. Der Chauffeur war schon lange genug auf Blandings Castle in Diensten, um von alleine zu dieser Ansicht gekommen zu sein.
    Lord Emsworth widersprach ihr nicht. Das Auto hatte jetzt vor dem Hauptportal angehalten. Wie immer an Sommerabenden stand die Tür offen, und der neunte Earl hastete in Begleitung seines Bruders Galahad die Stufen hinauf und in die Halle. In diesem Augenblick vernahmen sie das Geräusch rennender Füße, und gleich darauf kam die dahinfliegende Gestalt Percy Pilbeams in Sicht, der, vier Stufen auf einmal nehmend, die Treppe heruntergerast kam.
    »Ach du meine Güte!« rief Lord Emsworth.
    Wenn Pilbeam diese Worte gehört oder den Rufer gesehen hatte, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Er war unverkennbar in Eile. Er flitzte durch die Halle und schoß dann, einem flüchtigen Reh ähnlicher als einem Privatdetektiv, zur Vordertür hinaus. Sein Chemisett wies dunkle Flecken auf, sein Hemdkragen hing lose an einem einzigen Knopf, und während des kurzen Augenblicks, in dem er ihn zu sehen bekam, schien es Lord Emsworth, als ob er auch ein blaues Auge hätte. Sekunden später raste mit ebenso affenartiger Geschwindigkeit die Gestalt Ronnie Fishs die Treppe herunter und an ihm vorbei.
    Lord Emsworth deutete den Vorfall vollkommen miß. Er konnte ja auch nicht ahnen, was sich in dem Gartenzimmer abgespielt hatte, als Pilbeam, beflügelt vom Alkohol und beseelt von dem Gedanken, daß nun der Augenblick für ihn gekommen sei, in diesen Raum einzudringen und das Manuskript der Memoiren des Ehrenwerten Galahad an sich zu bringen, das Abflußrohr hinaufgeklettert war, um seinen kühnen Plan in die Tat umzusetzen. Er befand sich in Unkenntnis der hitzigen Auseinandersetzung, deren Ergebnis es war, daß Pilbeam mit Höchstgeschwindigkeit um sein Leben lief. Er sah lediglich zwei Männer, die in wilder Verfolgungsjagd ins Freie strebten, und er suchte für diesen Vorgang die plausibelste Erklärung.
    Baxter, so mutmaßte er, hatte angefangen Amok zu laufen, und zwar so tüchtig und unerbittlich, daß starke Männer in Panik vor ihm flohen.
    So sanftmütig der neunte Earl von Natur aus auch war, so
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