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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind
Autoren: Diane Chamberlain
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Tochter Chloe.” Darias Vater klang, als wäre er beleidigt, dass man seine Tochter verdächtigte. “Sie besucht ein katholisches College, seit sie sechzehn ist. Sie können sich also vorstellen, dass sie ihre Nase die meiste Zeit in Bücher steckt.”
    Dessen war sich Daria alles andere als sicher, denn Chloe war gescheit genug, gute Noten zu schreiben, ohne viel dafür zu lernen.
    “Sonst noch jemand?”, fragte diesmal der andere Polizist.
    “In diesem Haus? Nein”, sagte Tante Josie. “Aber in unserer Straße leben noch mehr Mädchen. Polly von gegenüber, zum Beispiel.”
    “Jetzt reicht es aber, Josie”, fuhr Darias Mutter sie an. “Sie ist geistig zurückgeblieben. Glaubst du wirklich …”
    “Erzählen Sie nur weiter”, verteidigte sie der Polizist. “Wer noch?” Es klang, als wären er und Tante Josie alte Freunde.
    “Ich glaube, das einzige weitere Mädchen ist diese Jill”, sagte Tante Josie.
    “Sie ist die Tochter der Fletchers”, fügte Darias Mutter kapitulierend hinzu. Jedes der Mädchen würde auf die Liste kommen, ob es ihr nun passte oder nicht.
    Als ihre Schwester die Treppe herunterkam, legte Daria einen Finger auf die Lippen. Chloe zog die Augenbrauen hoch, während sie mit nackten Füßen über den Wohnzimmerteppich tappte.
    “Was ist denn hier los?”, flüsterte sie und versuchte, durch das Fenster auf die Veranda zu spähen.
    “Pass auf, dass sie dich nicht sehen!” Daria griff ihrer Schwester in das ungekämmte schwarze Haar und zog ihren Kopf herunter.
    “
Autsch.”
Chloe wand sich aus Darias Griff. “Warum sind die Bullen hier?”
    “Ich habe ein Baby am Strand gefunden.”
    “Du hast
was
gefunden?”
    “Psst”, machte Daria, doch noch ehe sie mehr erklären konnte, betrat ihr Vater das Zimmer.
    “Chloe, gut, dass du hier bist”, sagte er. Seine Haare waren jetzt wieder durcheinander. Er konnte sie nie für lange Zeit bändigen. “Ich wollte dich gerade holen. Die Polizisten haben ein paar Fragen an dich und Ellen.”
    “
Warum?”
Chloe war überrascht. Ihr sonst olivenfarbener Teint war im fahlen Morgenlicht ziemlich blass. Daria vermutete, dass ihre Schwester wegen des bevorstehenden Gesprächs nervös war.
    “Es ist überhaupt nicht schlimm”, beruhigte Daria sie. “Ich habe lange mit ihnen gesprochen. Sie sind wirklich nett.”
Klar, schließlich bin ich ja auch Supergirl.
    “Geh und hol Ellen”, sagte ihr Vater zu Chloe, die die Augen verdrehte und ihm einen verächtlichen Blick zuwarf, bevor sie die Treppe hinaufstapfte. Dieses aufsässige Verhalten war neu. Nach einem ganzen Jahr am College war Chloe erst vor wenigen Tagen im Sea Shanty angekommen, und Daria musste sich an ihre neue Art noch gewöhnen. Seit jeher war die aufrichtige und zuverlässige Chloe der ganze Stolz ihrer Eltern gewesen. Ein Muster an Folgsamkeit. Und plötzlich tat sie so, als brauchte sie überhaupt keine Eltern mehr.
    “Und du …” Darias Vater sah ihr direkt ins Gesicht, und sie wusste, dass er sie beim Lauschen am Fenster ertappt hatte. “Du gehst jetzt nach oben. Du musst doch müde sein. Es war schon ein langer Morgen für dich.”
    Daria wollte nicht hochgehen. Sie wollte hören, was die Polizisten mit Chloe und Ellen zu besprechen hatten, und sie fand, sie hatte auch ein Recht darauf. Schließlich war sie jetzt elf – auch wenn sich kein Mensch daran zu erinnern schien. Und wenn sie nicht gewesen wäre, würde das ganze Spektakel überhaupt nicht stattfinden. Aber im Gesicht ihres Vaters lag jener strenge Ausdruck, der ihr verriet, dass jegliche Diskussion zwecklos war.
    Auf dem Weg nach oben kamen ihr Chloe und Ellen entgegen. Ihre Cousine war genauso blass um die Nase wie Chloe. Die beiden gingen wortlos an ihr vorbei. Erst als sie schon fast auf der ersten Etage war, hörte sie Chloe rufen: “Hey, Schwesterherz! Alles Liebe zum Geburtstag.”
    Im Obergeschoss angekommen, setzte sich Daria bei dem Versuch, in Hörweite zu bleiben, auf die oberste Treppenstufe. Zwar konnte sie hören, wer gerade sprach, doch was gesagt wurde, verstand sie kaum. Und so schweiften ihre Gedanken ab. Sie dachte darüber nach, was sie der Polizei erzählt hatte, und spielte die Befragung wieder und wieder durch. Wenn man die Polizei anlog, kam man dann ins Gefängnis? Würden sie ein elfjähriges Mädchen einsperren? Aber eigentlich habe ich ja gar nicht gelogen, beruhigte sie sich. Sie hatte einfach nur eine Sache weggelassen – ein kleines, vermutlich unbedeutendes Detail:
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