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Sommerbuch

Sommerbuch

Titel: Sommerbuch
Autoren: Tove Jansson
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rollten klappernd hin und her, und der Motor haute in den Graswickel. Er machte das Seil los und stieß gegen das Wasser ab und nahm die Ruder. Die Dünung kam um das Seeufer herum wie gekrümmte Berge. Über ihm war der Himmel gelb und leer und glänzte, und dort saß Gott und erfüllte Sophias Bitten mit einem Sturm. Und an der ganzen Küste herrschten die gleiche Verwirrung und das gleiche Staunen.
    Tief in ihrem Schlaf fühlte die Großmutter, wie die Brandung dröhnend durch den Boden schlug, sie setzte sich auf und lauschte zum Meer hin. Sophia warf sich im Sand neben sie auf den Rücken und rief: »Es ist mein Sturm, ich habe den lieben Gott um einen Sturm gebeten, und nun ist er gekommen !«
    »Ausgezeichnet«, antwortete die Großmutter. »Aber wir haben die Netze im Wasser .«
    Netze allein herauszuholen und dazu noch bei Sturm ist beinah unmöglich. Der Vater stellte den Motor auf eine kleinere Geschwindigkeit, mit dem Heck gegen die See, und begann hereinzuholen. Das erste Netz kam mit einem Riß davon, aber das andere saß am Grund fest. Er ließ den Motor leerlaufen und versuchte zu rollen. Das Stimm riß. Zum Schluß zog er nur noch ein zerrissenes Netz mit Tang und Fisch herauf, das er auf den Boden des Bootes hineinhob. Sophia und die Großmutter sahen zu, wie das Boot an Land kam, fortwährend überspült von der See. Der Vater sprang heraus und warf sich gegen die Bootseite und zog. Eine breite Sturzwelle spülte um die Landspitze und knallte ins Heck und trieb das Boot damit ordentlich an Land. Der Vater vertäute, er nahm die Netze in die Arme und ging über die Insel, während er sich gegen den Wind lehnte. Sie folgten ihm, ganz dicht nebeneinander, die Augen brannten, und die Lippen schmeckten nach Salz. Die Großmutter ging breitbeinig und stützte den Stock hart auf den Boden.
    Nun drehte sich die Stauung beim Brunnen und kam angesaust. Alles, was sich ruhig niedergelassen hatte, um zu verwesen und in hundert Jahren zu Erde zu werden, wehte und wirbelte auf und über die Ufer ins stürmende Meer hinein: der Abfallhaufen von den alten Lotsen, der Gestank aus dem Brunnen und die schleichende Wehmut aller Sommer. Die ganze Schäre wurde von der Brandung und von fliegendem weißem Schaum reingewaschen.
    »Hast du das nicht gern ?« rief Sophia. »Es ist mein Sturm! Du mußt sagen, daß er dir Spaß macht .«
    »Großen Spaß«, antwortete die Großmutter und blinkerte Salzwasser aus den Augen.
    Der Vater warf seine Netze bei der Treppe hin, dort wo die Nesseln abgeweht und wie grauer Teppich dalagen, er ging allein zur Inselspitze, um die Wellen zu betrachten. Er war in großer Eile. Die Großmutter setzte sich auf den Fels und fing an, Fisch sauberzumachen, die Nase lief ihr, und die Haare flogen nach allen Seiten.
    »Ich bin schon komisch«, sagte Sophia. »Ich fühle mich immer so brav, wenn es Sturm gibt .«
    »So ?« sagte die Großmutter. »Mag sein .«
    Brav, dachte sie, nein, ich bin bestimmt nicht brav. Das Beste, was man von mir sagen könnte, ist, daß ich mich interessiere.
    Es war ihr gelungen, einen Barsch aus dem Netz zu zerren, und sie schlug ihn gegen den Felsen.
    Der Vater sprengte mit einem großen Stein das Schloß an der Tür der Lotsenhütte. Er machte es, um seine Familie zu beschützen.
    Der Korridor war ein schmaler und dunkler Raum, der die Hütte in zwei Zimmer teilte. Auf dem Boden lagen seit vielen Jahren tote Vögel, Vögel, die in das verfallene Haus hineingekommen waren, aber nicht wieder hinausgefunden hatten. Es roch nach alten Kleidern und gesalzenen Fischen. Hier drinnen veränderte sich das überall zu hörende Brausen des Sturmes in ein Geräusch mit drohenden Untertönen, das immer näher kam. Sie gingen ins westliche Zimmer, das noch die Decke hatte, es war ein ganz kleines Zimmer mit zwei nackten Eisenstangenbetten und einem gekalkten Herd mit einer Haube. In der Mitte standen ein Tisch und zwei Stühle. Die Tapeten waren sehr hübsch. Der Vater stellte ihren Korb auf den Tisch, sie tranken Limonade und aßen die Butterbrote. Danach fing er an zu arbeiten, und die Großmutter setzte sich auf den Boden und nahm Fisch aus den Netzen. Die ganze Zeit hallte es vom Meer her zwischen den Wänden der Hütte, wie ein ununterbrochenes Zittern, und es war ziemlich kalt. Wellenschaum lief über die Scheiben und hinein über das Fensterbrett auf den Boden. Hin und wieder stand der Vater auf und ging nach dem Boot sehen.
    Die Brandung an der steilen Außenseite hatte
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