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Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück
Autoren: Peter Heim
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schwarze Sichel im Wasser lag. Und da sollte sie rein? Der Mann, der gerade heraussprang, trug keine blaue Uniformjacke, sondern ein rot-weiß gestreiftes Leibchen, aber einen Schnauz hatte er wie der erste Pirat. Und das gleiche braun verbrannte Gesicht mit den kohlschwarzen Augen. Auch darin tanzten kleine Flämmchen. Außerdem war er noch viel jünger als der Pirat von eben.
    »Kippt das denn nicht?«
    Der Gondoliere lachte. »Wir holen Sie schon wieder raus.«
    »Aber kann man denn da sitzen? Warum machen wir den Rest nicht zu Fuß?«
    »So geht's halt schneller«, behauptete Michele. »Und hübscher ist's auch.«
    Das Letztere mochte stimmen, aber daß es schneller ging, war eine glatte Lüge. Doch Michele hatte Hausvorteil und war wild entschlossen, ihn bis ins Letzte auszureizen. Dazu gehörte selbstverständlich auch die Gondelfahrt …
    »Michele? Wo will der mit uns hin?«
    Nur eine einzige, nasse, moosbewachsene Hausecke hatten sie umfahren – und schon hatte sich die Welt verändert.
    Stille. Stille und Schatten … Selbst das Wasser schien an manchen Stellen schwarzschimmernd wie der Körper der Gondel.
    Klatsch, klatsch … Gleichmäßig wie ein Metronom kam das Rudergeräusch.
    Christa hatte sich zurückgelehnt. Vollkommen entspannt, so entspannt, daß sie praktisch bereits in Micheles Armen lag. Zumindest linksseitig.
    Na und? Warum denn nicht? Wann wirst du schon in einer Gondel durch Venedig gefahren?
    Die Hausmauern sahen vom Kanal zwar manchmal aus, als hätte die Lepra sie befallen, aber sicher präsentierten sich ihre Schau-Seiten prächtig in irgendeinem Gäßchen. Kennt man ja: Vorne hui, hinten pfui! -Doch dann wieder ragten über die nasse Backsteinumfassung eines Gartens hohe Zypressen, an denen sich violett- und flammenfarbene Bougainvilleas hochrankten, leuchteten hinter schweren, verrosteten Fenstergittern rote und rosa Geranien, brach ein Sonnenstrahl in die Kanalschlucht und zauberte Goldpfützen aufs Wasser.
    Das Wasser allerdings?
    Was da alles drin rumschwamm?! – Besser, man sah nicht hin. Aber ganz ließ es sich nun nicht vermeiden und deshalb … dort, dort drüben?!
    Entsetzt drückte sie sich an Michele. »War eine tote Katze! Hab's genau gesehen.«
    Er aber streichelte ihre Schulter, küßte sie aufs Haar. »Quatsch. Was redest du denn?«
    »Ich rede nicht, ich sehe. Ich bin doch nicht blöd.«
    »Komm schon, piccola …«
    Natürlich war's 'ne Katze. Auch Michele wußte es, trotzdem behauptete er glatt, bei dem, was da vorübertrieb, habe es sich lediglich um einen alten Lappen gehandelt. Tote Katzen konnten ihm schließlich nur das Programm verderben …
    Und wieder eine dieser hohen, finsteren Hauswände. Diese war sogar eine besondere: Sie schob Treppen ins Wasser. Und neben den Treppen standen violettgestreifte Pfähle mit Goldknauf.
    Eine Gondel-Anlegestelle.
    »Ecco!« Michele rief es dem Gondoliere zu.
    ›Ecco‹ also. – Tante Fiorellas Haustür.
    Genauso hatte Christa sie sich auch vorgestellt. Uralt und rostig.
    Michele war schon draußen. So geschickt machte er das, als habe er die letzten zwanzig Jahre mit nichts anderem verbracht, als von den Gondeln raus- und in Gondeln reinzuhüpfen.
    Nun donnerte es in der Kanal-Stille.
    Was donnerte, war ein gewaltiger, mit Grünspan überzogener, bronzener Türklopfer in Form eines Delphins.
    Zweimal – bereits viermal.
    Nichts regte sich.
    Sie sahen sich alle an. Der Gondoliere zwirbelte am Schnurrbart und machte: »Hm.«
    Zu früh. Nun hörte man tatsächlich ein leises Kratzen. Der Riegel mußte das sein. Dann ächzte das schwere, dunkle Wasserportal, als öffnete sich der Türflügel in einem Hitchcock-Gespensterschloß.
    Christas Herz schlug schnell.
    Also doch …
    »Endlich«, murmelte auch Michele.
    Aber was im Türspalt erschien, war der weißhaarige Kopf einer Uralt-Frau, waren strähnige Haare unter einem blassen, von Falten durchzogenen Gesicht.
    Christa dachte an den Bikini, den ihr Michele bei ihrer ersten Bootsfahrt über den Gardasee aufgezwungen hatte. Lurex mit Goldfäden … So was trug die Arme sicher nicht. Eine Angestellte? Die Haushälterin, die dich, den Leuchter mit den brennenden Kerzen in der Hand, durch endlose, von Gespenstern bevölkerte Korridore führt?
    Michele sprach heftig und mit rudernden Bewegungen. Die Haushälterin antwortete, sah auch zweimal herüber. Christa verstand nicht ein einziges Wort.
    Schließlich kam er zurück.
    Die Gondel machte einen Hüpfer. Schon
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