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Sommer des Schweigens: Ich war in der Gewalt dreier Männer. Und ein ganzes Dorf sah zu (German Edition)

Sommer des Schweigens: Ich war in der Gewalt dreier Männer. Und ein ganzes Dorf sah zu (German Edition)

Titel: Sommer des Schweigens: Ich war in der Gewalt dreier Männer. Und ein ganzes Dorf sah zu (German Edition)
Autoren: Anna Maria Scarfò
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und Cianci kam herein. Dieser war bereits nackt, packte die weinende Scarfò an den Haaren und stieß sie mit dem Kopf gegen die Wand. Das Mädchen sagte, es hielte das nicht mehr aus und würde mit jemandem reden, aber Cianci meinte, sie könne das nicht tun, weil die Männer sie jetzt in der Hand hätten und sie außerdem gar nicht dazu käme, weil man sie vorher umbringen würde. Cianci hatte ebenfalls Verkehr mit ihr. Dann brachten die beiden Männer sie im Auto zurück. Ehe sich Hanaman verabschiedete, sagte er, sie solle aufpassen, was sie täte, und kein Wort sagen.«
    Ich habe sie am 12. April 2003 angezeigt. Genau ein Jahr nach der ersten Anzeige. Ich habe also sechs weitere Männer angezeigt: Antonio Cutrupi, zweiundzwanzig (Vetter von Domenico Cutrupi), Maurizio Hanaman, fünfundzwanzig, Giuseppe Chirico, dreißig, Fabio Piccolo, einundzwanzig, (Vetter der Brüder Iannello), Antonio Cianci, dreiundzwanzig, Vincenzo Minniti, einundzwanzig.
    Warum diese zweite Anzeige? Warum habe ich nicht alles gleich auf einmal erzählt? Das ist eine berechtigte Frage. Ich antworte darauf, wie ich es zuerst den Carabinieri, dann dem Staatsanwalt und schließlich vor Gericht geschildert habe:
    »Ich habe mich erst am 12. April 2003 entschlossen, weitere Personen anzuzeigen, die mich missbraucht haben, weil ich zu viel Angst vor möglichen Racheakten hatte und immer noch habe. Ich habe vor allem Angst vor Maurizio Hanaman, der der Sohn von Domenico ist, besser bekannt als ›Mincuzzo‹, und Bruder eines flüchtigen Verbrechers, der sich, soweit ich weiß, jetzt in Deutschland aufhält. Hanaman hat mich einmal angehalten und von mir verlangt, dass ich ihm meine ältere Cousine vorstelle. Bei anderen Gelegenheiten habe ich ihn mit Antonino Cianci gesehen, dem Sohn des vor einigen Jahren ermordeten Gaetano, mit den Brüdern Iannello, manchmal auch mit Domenico Cutrupi. Das erste Mal hatte ich mit ihm Geschlechtsverkehr an einem eher milden Sonntag, denn ich erinnere mich daran, dass ich keinen Mantel trug. Ich trug Hosen und war auf dem Weg von unserer Wohnung zu der einer meiner Freundinnen; als ich an der Bar Marzico vorbeikam, saßen dort Hanaman und Antonio Cianci auf einer Stufe.«
    Das Dorf
    Anna senkt den Kopf und schubst ihn weg. Sie möchte hinaus. Sie will ihn nicht ansehen.
    Der Bahnhof ist menschenleer.
    Domenico Cucinotta packt sie am Handgelenk und zieht sie brutal an sich heran. Fast hebt er sie dabei vom Boden hoch.
    Anna windet sich und befreit sich. Zur Tür kann sie nicht hinaus. Sie läuft zu den Gleisen und entkommt durch einen Nebenausgang. Cucinotta steigt in seinen Wagen und verfolgt sie. Anna rennt. Sie hört den Motor des Alfa 147 hinter sich. Immer näher. Sie läuft und schlüpft in eine Seitenstraße. Biegt um die Ecke. Rennt. Läuft zurück. Biegt wieder um die Ecke. Rennt. Versteckt sich in einem Hauseingang. Der Alfa 147 ist nicht mehr zu sehen. Cucinotta ist verschwunden.
    Er trug eine dunkle Brille, einen schwarz-weiß gestreiften Schal, einen weißen Pullover. Zuletzt hatte sie ihn im Gerichtssaal gesehen.

Wieder im Gericht
    D ieses Mal haben die Angeklagten kein verkürztes Verfahren beantragt. Ich bin wieder im Gerichtssaal. Und die ebenfalls.
    Ich muss alles noch einmal durchleben.
    Ich: Als ich damit angefangen habe, mit ihnen Geschlechtsverkehr zu haben, wurde das im Dorf bekannt, und ich habe alles verloren: Ich hatte keine Freunde mehr, ich blieb isoliert. Manchmal behandelten sie mich schlecht, andere Male sagten sie zu mir: »Nur keine Sorge, du hast ja uns.« Mit dreizehn habe ich das nicht wirklich verstanden. Sie sagten: »Vertrau uns, sei ganz ruhig.« Sie schotteten mich von allen anderen ab, weil sie Angst hatten, ich würde etwas erzählen … ich lebte ständig mit dem … wie kann ich das sagen … ich litt.«
    Vorsitzender: Können Sie jetzt wieder ein normales Leben führen?
    Ich: Nein. Ich hatte danach nie mehr einen Freund, ich hatte keine Gelegenheit, mich zu verloben.
    Vorsitzender: Wie alt sind Sie jetzt?
    Ich: Dreiundzwanzig.
    Vorsitzender: Also haben Sie außer dieser Sache nie eine Liebesbeziehung gehabt?
    Ich: Nein.
    Vorsitzender: Niemals? Haben Sie sich niemals einem Mann hingegeben mit all der Lust, mit der man sich hingeben kann?
    Ich: Nein. Ich muss mir Zeit lassen. In San Martino kann ich kein normales Leben führen, wenn sie immer um mich … Tatsächlich habe ich große Angst davor, Herr Richter, wenn ich diesen Saal verlassen werde, weil ich schon die
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