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Sommer des Schweigens: Ich war in der Gewalt dreier Männer. Und ein ganzes Dorf sah zu (German Edition)

Sommer des Schweigens: Ich war in der Gewalt dreier Männer. Und ein ganzes Dorf sah zu (German Edition)

Titel: Sommer des Schweigens: Ich war in der Gewalt dreier Männer. Und ein ganzes Dorf sah zu (German Edition)
Autoren: Anna Maria Scarfò
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ganze Zeit Fabio Piccolo angestarrt, der in der Mitte des Gerichtssaals sitzt.
    Ich habe mich auf die Tätowierungen konzentriert, die auf seinem Arm und in seinem Gesicht: Ich habe nur ihn angesehen, wie er während der ganzen Zeit, in der der Vorsitzende des Gerichts vorgelesen hat, was er mit mir gemacht hat, nur gegrinst hat. Unverschämt. Frech. Uninteressiert. Sich keiner Schuld bewusst. Er hat gelacht, also ob das, was geschehen ist, völlig normal und auch noch lustig wäre.
    Vincenzo Minniti verfolgt eine ähnliche Strategie. Er sagt, dass er mich kennt, auch weil wir Nachbarn sind, und dass er mich im Auto mitgenommen hat. Und er gibt auch zu, dass er mich zu seinem Haus auf dem Land gebracht hat, aber nur, weil ich die Tochter von Freunden der Familie bin.
    Und er sagt: »Und ich hatte niemals Sex mit ihr, das wäre doch völlig absurd. Das wäre doch so, als würde ich mit meiner Schwester ins Bett gehen. Sie ist im gleichen Haus aufgewachsen.« Er hat seinen Satz noch nicht zu Ende gebracht, da lacht auch er los: »Vielleicht habe ich ihr gefallen, und dabei war ich doch vergeben, ich weiß es nicht.«
    Ich lege eine Hand auf die Bank vor mir. Das darf er nicht sagen.
    Der Vorsitzende greift ein: »Keiner von Ihnen hat jemals die Scarfò wegen Verleumdung angezeigt.« Und meint abschließend: »Bitte nehmen Sie zu Protokoll, dass der Angeklagte lacht.«
    Das Gelächter hört auf. Im Gerichtssaal kehrt wieder Stille ein.
    Das Dorf
    »Jetzt muss Schluss sein mit dem Gerede über diese Sache.«
    »Wir sind es leid. Lasst uns in Frieden. Klagt doch nicht uns an. Nennt uns nicht Vergewaltiger. Es gibt so viele anständige Leute in San Martino.«
    »Das hier ist ein ruhiges Dorf. Es gibt Mädchen in Anna Marias Alter, die ein Anrecht darauf haben, ohne solches Gerede groß zu werden. Ehrbare Familienväter. Mütter, die unter tausend Opfern anständige Familien durchbringen. Verurteilt nicht ganz San Martino.«
    »Wer einen Fehler gemacht hat, bezahlt bereits dafür. Man hat ihre Familien ruiniert. Sie waren ganz oben, jetzt sind sie ganz unten. Aber damit hat das Dorf nichts zu tun.«
    »Das Dorf wusste nichts davon, und es ist nicht fair, dass wir dafür bezahlen sollen. Stempelt uns nicht ab. Lasst uns in Frieden. Wir verlangen, dass das Gerede aufhört.«
    Die Stimmen finden keine Ruhe.

Ein weiterer Schuldspruch
    A m 25. November 2009 ergeht das Urteil im zweiten Prozess. Ein weiterer Schuldspruch.
    »Der Oberste Gerichtshof hat hinsichtlich der Nötigung zu geschlechtlichen Handlungen festgelegt, dass der objektive Tatbestand sowohl in körperlicher Gewalt im engeren Sinne als auch in psychischer Einschüchterung besteht, die dazu geeignet ist, das Opfer zur Vornahme oder Duldung geschlechtlicher Handlungen zu zwingen. Was den subjektiven Tatbestand der Nötigung zu geschlechtlichen Handlungen betrifft, so besteht dieser im Wissen und Wollen der Begehung einer in die sexuelle Freiheit einer nicht einwilligenden Person eingreifenden und diese Freiheit verletzenden Handlung. Es ist außerdem zu beachten, dass bei gemeinschaftlich begangener Nötigung zu geschlechtlichen Handlungen, sobald die geschlechtlichen Handlungen nicht in einem einzigen zeitlichen Zusammenhang verwirklicht werden, sondern ein erheblicher Zeitraum zwischen den einzelnen Ereignissen liegt, von denen jedes durch eine erneute Aufnahme der Gewalt gegen das Opfer gekennzeichnet ist, auf diese Weise eine Zäsur zwischen den einzelnen Handlungen besteht, von denen jede eine Straftat darstellt, sodass ein Fortsetzungszusammenhang vorliegt.
    Mithin ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit sämtlicher Angeklagter, mit Ausnahme von Vincenzo Minniti, für eine Straftat nach Artikel 609 des Strafgesetzbuchs, dessen Tatbestandsmerkmale vollständig vorliegen, zu bejahen. Insbesondere sind sämtliche von der geschädigten Person erzählten Begebenheiten durch Merkmale von Gewalt, zu der sowohl seelischer Zwang aufgrund der fehlenden Zustimmung zur Vornahme geschlechtlicher Handlungen als auch körperlicher Zwang gehört, sowie durch Merkmale von Bedrohung als Inaussichtstellen eines künftigen und rechtswidrigen Übels gekennzeichnet.
    Was Minniti betrifft, so ist dieser für eine einzige allein begangene Nötigung zu geschlechtlichen Handlungen verantwortlich, die daher im vorliegenden Fall unter Artikel 609 des Strafgesetzbuchs fällt und auf Strafantrag der Geschädigten einzeln verfolgbar ist.
    Dabei ist jedoch anzumerken, dass im Fall von
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