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Sommer am Meer

Sommer am Meer

Titel: Sommer am Meer
Autoren: Rosamunde Pilcher
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einfach gerne unter Menschen war - sie hatte immer ein volles Haus. Fremde Kinder hopsten auf den Ponies herum, saßen zur Teezeit zuhauf am Eßzimmertisch, spielten auf dem Rasen Ball. Wenn sie nicht ganze Familien bei sich wohnen hatte, dann hatte sie den Tag über zahlreiche Gäste, verköstigte sie mit Rinderbraten, Steaks und Nierenpasteten, himmlischen altmodischen Puddings und selbstgemachtem Eis. Ihr Getränkevorrat, dem die Horden, die durch ihre gastliche Tür kamen, erschreckend zusetzten, war stets für jeden Gast zugänglich, der einer flüssigen Erfrischung bedurfte.
    „Bedien dich“, rief sie durch die offene Tür, während sie ein dreigängiges Menü für zehn unerwartete Gäste zauberte. „Eis ist im Kühlschrank, falls der Kübel leer ist.“
    Anthony bewunderte sie natürlich, er flirtete munter und offen mit ihr, tat schrecklich eifersüchtig, wenn die Wochenenden nahten und ihr Mann nach Hause kam.
    „Schmeiß den verdammten Kerl raus“, sagte er zu Liz, und sie brach entzückt in lautes Lachen aus wie alle, die es hörten. Virginia lächelte, und über ihre Köpfe hinweg begegnete sie dem Blick von Liz' Ehemann. Er war ein stiller junger Mann, und obwohl er lächelnd dort stand, ein Glas in der Hand, ließ sich unmöglich erraten, was er dachte.
    „Du mußt auf deinen Mann aufpassen“, sagte eine andere Frau zu Virginia, aber sie erwiderte nur: „Das tu ich seit Jahren“, und sie wechselte das Thema oder wandte sich jemand anderem zu.
    An einem Dienstag rief Anthony aus dem Club in Relkirk an. „Virginia, hör zu, ich hab mich in ein Pokerspiel verrannt, Gott weiß, wann ich nach Hause komme. Warte nicht auf mich, ich esse hier einen Happen. Bis später.“
    „In Ordnung. Verlier nicht zuviel Geld.“
    „Ich gewinne“, sagte er. „Dann kauf ich dir einen Nerzmantel.“
    „Das ist genau, was ich brauche.“
    Er kam nach Mitternacht die Treppe heraufgestolpert. Sie hörte ihn in seinem Ankleidezimmer rumoren, Sachen hinwerfen, Schubladen öffnen und schließen, wegen eines Manschettenknopfes oder eines Knopfes fluchen.
    Kurz darauf hörte sie ihn zu Bett gehen. Das Licht unter der offenen Tür ging aus, es wurde ganz dunkel. Und Virginia fragte sich, ob er beschlossen hatte, aus Rücksicht auf sie in seinem Ankleidezimmer zu schlafen, oder ob es einen triftigeren Grund dafür gebe.
    Sie erfuhr es bald. Der Kreis, in dem sie verkehrten, war zu klein für Geheimnisse. „Virginia, Schätzchen, ich hab dir ja gesagt, paß auf deinen schlimmen Mann auf.“
    „Was hat er denn getan?“
    „Du bist wunderbar, daß du dich nie aus der Fassung bringen läßt. Du weißt bestimmt alles darüber.“
    „Worüber?“
    „Schätzchen, sein intimes Abendessen mit Liz.“
    „... ach ja, natürlich, vorigen Dienstag.“
    „Er ist ein alter Teufel. Er dachte wohl, niemand würde etwas merken. Aber dann haben Midge und Johnny Gray spontan beschlossen, zum Abendessen ins Strathtorrie Arms zu gehen. Es hat einen neuen Geschäftsführer. Es ist jetzt ziemlich düster und schick, und man ißt dort sehr gut. Sie gingen also hin, und da waren Anthony und Liz, ganz verschmust in einer Ecke. Und du hast es die ganze Zeit gewußt!“
    „Ja.“
    „Und es macht dir nichts aus?“
    „Nein.“
    Das war das Schlimme. Es machte ihr nichts aus. Sie war apathisch, sie hatte Anthony und seinen neckischen Schuljungencharme satt, der sich bei ihr längst abgenutzt hatte. Und dies war nicht die erste Affäre. Es war vorher passiert und würde zweifellos wieder passieren, und es war erschreckend, auf die bevorstehenden Jahre zu blicken und sich für immer an diesen faden Abklatsch eines Peter Pan gebunden zu sehen.
    Sie dachte an Scheidung, aber sie wußte, sie würde sich nie von Anthony scheiden lassen, nicht nur der Kinder wegen, sondern weil sie eben Virginia war und einen solchen Weg ebensowenig gehen konnte, wie sie auf den Mond fliegen konnte.
    Sie war nicht glücklich, aber was nützte es, ihr Versagen, ihre Enttäuschung in die Welt hinauszuposaunen? Anthony liebte sie nicht, hatte sie nie geliebt. Aber sie hatte ihn auch nie geliebt. Wenn er Virginia geheiratet hatte, um Kirkton zu bekommen, dann hatte sie Anthony in einer Krise geheiratet, als sie furchtbar unglücklich war, und in dem verzweifelten Versuch, der Saison in London zu entgehen, die ihre Mutter für sie geplant hatte und die zu guter Letzt in dem Alptraum von einem Debütantinnenball gipfeln sollte.
    Sie war nicht glücklich, aber sie hatte
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