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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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als einen Dollar pro Flasche zu bezahlen. Da war ja selbst Benzin noch preiswerter als das Zeug, das Odus mit einem Schlauch in die großen Wassertanks von Crystal Mountain füllte. Und das trotz der faulen Tricks, mit denen Araber arbeiteten.
    Er stieg mit einem leisen Stöhnen aus dem Auto, seine Gelenke fühlten sich steif an. Vielleicht würde er sich nicht mit vierzig schon wie ein Sechzigjähriger fühlen, wenn er anstelle von Old Crow Bourbon das Quellwasser aus den Bergen trinken würde. Er steckte sich eine Marlboro in den Mund und zündete sie an. Dann zählte er die Stufen bis zur Ladentür. Ob er es schaffen würde, die Kippe wenigstens bis zur Hälfte zu rauchen? Sogar die gute alte Sarah hatte sich von diesem »Rauchen-verboten«-Quatsch einlullen lassen. Sie verkaufte gut zwei Dutzend verschiedene Zigaretten-, Pfeifen- und Schnupftabaksorten, aber in ihrem Laden durfte man das Zeug nicht rauchen. Diese ganze Rauchverbotsscheiße war genauso belastend wie die Araber mit ihrem Öl, nur dass hier die Regierung am Hebel saß. Strich die Subventionen, so dass die Zigarettenfirmen mit den Tabakbauern machen konnten, was sie wollten. Und am Ende schlugen die da oben noch höllenmäßig Steuern drauf.
    Odus hustete und spuckte auf die Stufen unterm Vordach. In seiner Kindheit war ihm der Laden viel größer erschienen. Damals war er mit einem Vierteldollar in der Tasche die Stufen hochgehüpft und hatte sich auf die riesige Auswahl an verlockenden Dingen gefreut.
    Für einen Vierteldollar bekam man damals ein Batman-Comic und einen Schokoriegel, oder eine Pepsi-Cola und Mäusespeck, oder eine Packung Baseballkarten und eine Kaugummizigarette. Heute lag dir ein Vierteldollar nur noch schwer in der Tasche. Dabei konnte Odus wirklich nichts gebrauchen, was seine Hosen noch weiter nach unten zog, denn sein runder Bauch drückte auf seinen Gürtel wie eine Wassermelone.
    Die Ladentür stand offen. Komisch. Sarah machte sonst immer erst Punkt neun auf. Wenn man Stammkunde war, konnte man klopfen und schon mal reinkommen, wenn man etwas zu früh dran war. Odus zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und warf die Kippe in den mit Sand gefüllten Eimer, der extra dafür bereitstand. Er blinzelte durch die Fliegengittertür, um zu sehen, ob sich schon was bewegte.
    »Sarah?«
    Vielleicht war sie hinten im Lager und kontrollierte ihre Vorräte. Oder sie stapelte Konservendosen, die zwar das Etikett des Gemischtwarenladens von Solom trugen, in Wirklichkeit aber von einer Hilfssherifftruppe drüben in Westmoreland hergestellt wurden. Odus rief noch einmal. Vielleicht war Sarah auch kurz in ihr Wohnhaus gegangen, das sich direkt neben dem Laden befand. Möglicherweise hatte sie ja mit ein paar Dörrpflaumen ihre Verdauung in Schwung gebracht und war dann noch einmal heimgegangen. In ihrem Alter brauchte die Natur manchmal ein bisschen Nachhilfe.
    Odus ging zum Feinkoststand am hinteren Ende des Ladens. Die Kaffeekanne stand auf einem kleinen blauen Tablett, damit sich die Kunden selbst einschenken konnten. Kaffeeweißer (also Kondensmilch ohne Milch, das war wie ein Hamburger ohne Rindfleisch, wenn man darüber nachdachte), kleine Plastiklöffel, Zuckertütchen und rosa Süßstoffpäckchen lagen auch auf dem Tablett. Die Kaffeemaschine war ausgeschaltet, die Kanne war leer und kalt wie ein Hexenherz im Dezember. Kaffee kochen war sonst immer das Erste, was Sarah morgens tat.
    Odus spürte ein Stechen im Darm, als würde ein winziger Salamander dort Saltos schlagen. Vielleicht war es ein Whiskeyfurz, der sich zusammenbraute, vielleicht aber auch ein erstes Anzeichen seines Unwohlseins. Wie auch immer, Odus brauchte jetzt ein bisschen frische Luft. Als er auf dem Weg nach draußen an der Kasse vorbeikam, sah er Sarahs gebrechlichen Körper zusammengerollt auf ein paar Getreidesäcken liegen. Ihre Augen waren halb geöffnet, ihr Mund stand offen, und aus ihrem grauen Mundwinkel hing ein dicker Spuckefaden.
    Odus ging hinter den Ladentisch und kniete sich auf die ausgetretenen Dielen. Er fühlte ihren Puls, spürte aber nur seinen eigenen Herzschlag, den der Kater durch seinen Daumen pumpte. Er drehte sie mit dem Gesicht nach oben und legte seine Wange an ihren Mund. Ein leichter Hauch abgestandenen Atems zog an ihm vorbei, mit dem typischen Geruch von Siechtum und Verfall, den alte Leute ausströmten. Sarah lebte.
    »Sarah«, sagte Odus und tätschelte ihre Wange. Er versuchte sich zu erinnern, was die Rettungssanitäter aus
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