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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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gewohnt habe, konnte man vielleicht vier Sterne sehen.«
    »Was haben Sie noch gesehen? Ich meine, das ist schon eigenartig, oder?«
    »Nun, es ist natürlich alles neu. Gordons Familie hat hier so eine lange Geschichte.«
    Geschichte, dachte Betsy. Geschichte bedeutet einfach nur, dass du zu lange auf der Welt bist. Die Familien hier im Tal haben ihren Frieden mit der Vergangenheit geschlossen. Und mit dem Wanderprediger. Zumindest die Familien, die es hier noch gibt.
    »Wie geht es Gordon?«, erkundigte sie sich.
    »Er arbeitet gerade an einem neuen Buch. Über Fußwaschungsrituale in den Appalachen.«
    »Wenn er nur halb so viel Zeit in der Kirche verbringen würde wie mit dem Schreiben darüber, dann würde Gott ihn hundert Mal mehr in sein Herz schließen.«
    Der Rotschopf lächelte, doch es sah aus, als würde sie dabei Glas kauen. »Gordon hat eine Leidenschaft für den Baptismus.«
    »Aber nicht die richtige Art von Leidenschaft.«
    »Entschuldigung, Mrs. Ward. Ich habe großen Respekt vor seiner Arbeit, so wie auch zahlreiche Anthropologen und Soziologen, die sich mit dieser Gegend beschäftigen.«
    »Er beschäftigt sich mit der falschen Seite.« Neben Betsy bellte Digger, als wollte er ihren Worten mehr Schlagkraft verleihen.
    »Ich werde es ihm mal sagen«, meinte die Rothaarige. »Ich heiße übrigens Katy. Katy Logan.«
    »Logan? Ich dachte, Sie wären verheiratet?«
    »Sind wir auch. Ich habe meinen Mädchennamen behalten. Ist eine lange Geschichte.«
    Keine Geschichte konnte jemals lang genug sein, wenn sie dem Glaubensbekenntnis des Alten Testamentes trotzte, nach dem die Frau dem Manne untertan sein sollte. Wenn Betsy auch nur den Mund aufmachte, weil sie wütend auf Arvel war, dann schlug er sie ins Gesicht, dass sie zu Boden fiel. Auch in der Kirche hielt sie den Mund, außer beim Gesang oder Gebet. Ihr Platz war auf der linken Seite, zusammen mit den anderen verheirateten Frauen und den Kindern. Es war wichtig, dass man wusste, wo man hingehörte in Gottes großem Plan. Zuerst kam Gott, dann der Wanderprediger und dann der Ehemann.
    Digger knurrte abermals. Er spürte Betsys Unbehagen.
    »Ihre Tochter«, hob Betsy an. »Hab gesehen, wie sie auf den Schulbus wartet. Wie heißt sie?«
    »Jessica«, sagte die rothaarige Frau, und ging dabei bewusst der Frage aus dem Weg, die Betsy eigentlich gestellt hatte: Wer ist der Vater des gottlosen Kindes? Denn jeder weiß, dass es nicht Gordon sein kann. So wie die sich schminkt, sieht man auf den ersten Blick, dass die kleine Schlampe direkt von einem Techtelmechtel mit dem Teufel stammen muss. Oder mit einem Solomer Ziegenbock. Was am Ende auf Dasselbe hinausläuft.
    »Und, wie gefällt’s ihr in der Schule?«
    »Bis jetzt ganz gut. Sie wissen ja, wie Kinder sind.«
    Das wusste Betsy, auch wenn sie selbst nie ein Kind großgezogen hatte. »Nun gut, ich gehe mal wieder zu meinen Konserven. Will noch was einkochen.«
    »Können Sie mir das irgendwann mal zeigen?«
    »Aber gerne.« Allerdings hatte Betsy nicht die geringste Absicht, dabei irgendwelche nützlichen Informationen preiszugeben.
    »Ach übrigens, wissen Sie irgendetwas über die Vogelscheuche? Gordon meinte, dass es hier in der Gegend so eine Sage gibt.«
    »Vogelscheuche? Nie gehört.«
    Außer, Sie verwechseln da was mit dem Wanderprediger. Aber darüber weiß Gordon besser Bescheid.
    »Na ja, nichts für ungut«, winkte Katy ab. Zu Digger gewandt, sagte sie »Braver Hund«, auch wenn sich Digger genau wie das Gegenteil benahm. Betsy ließ den Hund auf der Veranda. Dann versteckte sie sich in der Küche hinter den Gardinen und beobachtete, wie die knochige Frau den Schotterweg hochlief und dabei immer wieder mit der Goldrute spielte, die am Wegesrand blühte.
    »Das gibt Ärger«, murmelte Betsy vor sich hin. »Dünne Frauen bringen immer Ärger.«

 
     
     
    6. KAPITEL
     
    Odus Hampton steuerte seinen zerbeulten Chevy Blazer auf den ausgefahrenen Parkplatz vor dem Tante-Emma-Laden. Es war Viertel vor neun. Bestimmt würde er Sarahs erster Kunde an diesem Tag sein. Er wollte sich einen Kaffee und ein Rosinenbrötchen holen, damit er den Kater aus seinem Kopf kriegte, bevor er hoch nach Bethel Springs fuhr. Neben diversen Gelegenheitsjobs arbeitete er in Teilzeit für die Mineralquellenfirma Crystal Mountain Bottlers. Das Unternehmen mit Sitz in Greensboro füllte frisches Bergquellwasser ab, ließ es in einer Fabrik behandeln und verkaufte es dann an Idioten, die bereit waren, dafür mehr
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