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Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Solom: Der Wanderprediger (German Edition)

Titel: Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
Autoren: Scott Nicholson
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Wachstum im Herbst dann nachlässt, verblasst das Chlorophyll und die wahre Farbe tritt ans Tageslicht. Erst im Sterben zeigt das Blatt sein wahres Gesicht. Die ganze Geschichte von wegen ›Grün bedeutet Leben‹ ist eine einzige große Lüge.«
    »Alex? Alles okay mit dir?«
    Klar war er okay. Schon seit Jahren war alles okay mit ihm. Das Marihuana war sein Antidepressivum, und dank seines Eigenanbaus war er das ganze Jahr über bestens versorgt. Er verkaufte den Stoff auf dem Schwarzmarkt, um sein anderes kleines Hobby zu finanzieren, das er in einem begehbaren Schrank im Keller hinter verschlossenen Türen betrieb. Aber eigentlich war ihm klar, dass die Bullen ihn eines Tages erwischen und ihm sein Land wegnehmen würden. Und das nur, weil er gern mal einen Joint rauchte. Das ging die da oben nun wirklich nichts an, und außerdem verschaffte er den Republikanern damit doch nur eine Daseinsberechtigung, um weiter an der Macht zu bleiben. Gras war wenigstens ehrlich, im Gegensatz zum System. Gras blieb immer grün, selbst wenn es tot war. Sogar nachdem man es geraucht hatte, ließ es in deinem Kopf einen kleinen grünen Blumenstrauß wachsen. Zeig deine Farben, dein Gesicht, deine wahre Gesinnung.
    Meredith rauchte auch gern mal einen Joint, allerdings nur im Bett, denn es machte sie geil. Alex hatte sich schon oft gefragt, ob das der eigentliche Grund gewesen war, warum sie in jener Aprilnacht bei ihm geblieben war, und dann die nächste und übernächste. Noch bevor eine Woche um war, hatte sie ihre Klamotten nach und nach in seinen Schrank gelegt. Das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, ihr zu sagen, dass er sich noch nicht sicher war. Aber nach einem weiteren Joint lag er mit seinem Kopf zwischen ihren Beinen – und mal ehrlich, da gab es wirklich Schlimmeres! Wenigstens konnte sie vegan kochen.
    Er lächelte ihr zu, vielleicht war es aber auch nur das Funkeln der Morgensonne, die sich in seinen Augen spiegelte. »Alles in Ordnung«, beruhigte er sie. »Ich hab nur gerade überlegt, ob ich die Kürbisse zum College bringe oder mein Glück auf dem Markt versuche.«
    »Zurzeit läuft es auf dem Markt nicht so richtig gut. Bestimmt versauen die anderen Händler wieder die Preise. Geh lieber dorthin, wo du keine Konkurrenz hast.«
    »Klingt vernünftig.« Meredith hatte ihren Master in BWL gemacht. Vor einem Jahr hatte sie ihren Marketing-Abschluss mit Auszeichnung bestanden. Alex hatte Botanik studiert. Hängengeblieben war vor allem, wie man richtig geiles Gras anbaut, das einem ordentlich das Gehirn wegbläst. Und er hatte es geschafft, von der Schule zu fliegen und seine Eltern zu enttäuschen.
    »Fährst du in die Stadt?«, fragte Meredith. Mit »Stadt« meinte sie Windshake, die Kreisstadt von Pickett County, fünfzehn Meilen entfernt. Solom war für niemanden eine Stadt, obwohl es eine eigene Postleitzahl hatte und sogar eine Post. Wenn die Leute ordentlich einkaufen wollten, fuhren sie nach Windshake. In den Tante-Emma-Laden von Solom ging man, wenn man Gemüsesamen brauchte oder eine Tüte Maischips oder einen Snickers-Riegel, wenn der Heißhunger zu groß wurde.
    »Später vielleicht«, sagte er. Er trug nie eine Uhr. Wenn er sich für den Winter einen Teilzeitjob beschaffen musste, dann hatte er sich an den strengen Zeitplan eines Chefs zu halten. Für ihn war Zeit etwas Flexibles, das man nicht in Zahlen pressen sollte. Jetzt war jetzt und später war später. Gestern war die Asche und nichts weiter als der Satz auf dem Boden einer Bong. Und morgen war so was wie Grassamen.
    »Na gut. Und was willst du dann mit diesem schönen Samstagmorgen anfangen?«, fragte Meredith und lehnte sich über das Verandageländer. Dabei öffnete sich ihr Bademantel und gab den Blick frei auf ein vielversprechendes Panorama, das dem der Bergkette der Blue Ridge Mountains in nichts nachstand.
    Er lächelte. Vielleicht war es aber auch nur eine Mücke, die an seinen Augen vorbeiflog. »Dreh dir schon mal einen, ich komm in ’ner Minute vorbei, okay?«
    Sie strahlte. »Frühstück im Bett?«
    »Gerne!« Fast hätte er wieder »Schatz« gesagt, beherrschte sich aber gerade noch.
    Meredith tippelte über die Terrasse, die Alex eigenhändig gebaut hatte, aus wurmstichigen Kastanienbrettern von einer alten Scheune. Vielleicht gehörte Meredith ja hierher. Sie war auch irgendwie bio, auf ihre eigene Art, unverdorben durch die Bequemlichkeiten der modernen Technik. Irgendwie war sie ihm in den letzten Monaten ans Herz
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