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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Autoren: Hellmuth Karasek
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noch eine private Frage: Sie sind wohl Nudist?«
Antwortet der Mann: »Keineswegs. Ich habe nur keine Zeit zum Anziehen.«
     
    Ein großer Witzeerzähler war auch Ignatz Bubis, der seiner Frau immer vorsichtig einen Blick zuwarf, bevor er loslegte. Geradezu begnadet als Witzeerzähler waren der Kanzler Willy Brandt, der spätere Präsident Johannes Rau und sein Schwiegergroßvater Gustav Heinemann, die beim Skatspiel immer einen Witz auf Lager hatten. Ich erinnere mich an einen von Helmut Schmidt, als der Kanzler war und sozusagen die übersteigerten Ansprüche an den Sozialstaat per Witz geißeln wollte. Es ist ein Hamburger Witz.
     
    Bitterkalt ist es, und der vierjährige Junge, der mit seiner Mutter an der Alster entlanggeht, läuft aufs Eis und bricht ein. Kühn kommt ein junger Mann, stürzt in das Wasser und rettet den Jungen. Als er ihn zur Mutter zurückbringt, guckt die das Kind an und sagt:
»Und wo ist die Mütze?«
     
    So kann man soziale Ansprüche auch umschreiben.
     
    Theaterleute sind oft großartige Witzeerzähler, besonders gern erzählen Schauspieler nach der Vorstellung, wenn sie sich an hohen Texten abgearbeitet haben, blödsinnige Witze. Zur Entspannung sozusagen. Als Jürgen Flimm Intendant der Salzburger Festspiele wurde, hat er mir in der ersten Spielzeit den folgenden Witz erzählt (Flimm ist durch seine Kölner Herkunft schon von Geburt an zum Witzeerzählen prädestiniert):
     
    Zwei Ösis gehen in ein Beisl, wo sich jeder ein Tellergulasch bestellt. Sie bekommen das Gulasch, kosten es und merken, dass es zu wenig gesalzen ist. Also greifen sie nach dem Salzfass und versuchen es zu salzen, aber die Löcher des Salzstreuers sind verstopft. Also essen sie missmutig das ungesalzene Gulasch vor sich hin. Als ein Piefke das Lokal betritt und sich auch ein Tellergulasch bestellt, werden sie aufmerksam. Schadenfroh beobachten sie, wie auch ihm Salz zu fehlen scheint, wie auch er den Salzstreuer nimmt, wie auch er bemerkt, dass nichts rauskommt. Dann aber sehen sie, wie er zu einem Zahnstocher greift, die Löcher des Streuers frei macht und sich sein Gulasch entsprechend nachwürzt. Daraufhin guckt einer der Ösis den anderen an und sagt: »Ich kann die Piefkes
    nicht leiden. Owa technisch san’s uns überlegen.«
     
    Billy Wilder wusste zu jeder Situation einen passenden Witz. Als sich in den Sechzigerjahren eine Zeitenwende, die der sexuellen Revolution, ankündigte, hatte er folgende Geschichte parat:
     
    Vor dem Himmel steht eine lange Schlange. An der Eingangspforte werden die weißen und die schwarzen Schafe voneinander geschieden. Auf einmal bricht vorne Jubel aus, wildfremde Seelen umarmen einander, die Männer werfen ihre Hüte in die Luft, die Frauen beginnen zu tanzen, und schließlich spricht es sich durch die kilometerlange Schlange nach hinten durch:
    »Sex doesn’t count.« –Sex zählt nicht.
     
    Damals hatte Billy Wilder schon zwei seiner moralischen Komödien über Sex gedreht, Das verflixte siebente Jahr und Manche mögen’s heiß . Die dritte, Das Appartement mit Shirley MacLaine, fällt in die Zeit, als Sex nicht mehr zählte. Es ist bezeichnenderweise die erste der drei Komödien, in der ein Selbstmordversuch vorkommt. So viel zur schönen neuen Zeit!
    Ich habe Billy Wilder einmal gefragt, wie es denn um seine Gemütsverfassung als Komödienschreiber stehe, als Filmemacher von unendlich lustigen Geschichten und als Causeur, der seinen Zuhörern stets einen Witz, zum Gesprächsthema passend, beisteuern könne, dessen Pointe haarscharf das Problem trifft? Eigentlich wollte ich wissen, ob Witzeerzähler lustige Menschen sind, sein können.
    Der über Achtzigjährige sah mich einen Moment lang nachdenklich an und sagte: »Ich will dir eine Geschichte erzählen.« (Der Zufall will es, dass sie auch in Zürich spielt.)
     
    In Zürich kommt ein Herr zu einem Psychiater und sagt, es gehe ihm so schrecklich schlecht, er drohe ineine Depression zu fallen, und was der Doktor ihm raten könne. Der Arzt guckt aus dem Fenster seiner Praxis, sagt:
»Da liegt der Zürisee, es ist herrliches Wetter, man kann bis zu den Bergen sehen, der Himmel ist blau, die Luft lau. Gehen Sie da spazieren, Sie werden lauter fröhliche, gut gekleidete Menschen treffen, die den Frühling genießen.« Er macht eine Pause, dann fährt er fort: »Dann ist es Mittag, Sie gehen in eines der hervorragenden Restaurants, etwa in die Kronenhalle, essen Sie dort ein Zürcher Geschnetzeltes, trinken einen
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