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Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?

Titel: Soll das ein Witz sein? - Karasek, H: Soll das ein Witz sein?
Autoren: Hellmuth Karasek
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handlungsunfähig, es fesselt uns – nirgends ist das so krass beschrieben wie in dem Barockroman Simplicius Simplicissimus von Grimmelshausen im Eingangskapitel: Da wird der naive kindliche Held Zeuge, wie die Schweden seinen Vater foltern: indem sie seine nackten Füße mit Salz bestreuen, ihn fesseln, eine Ziege das Salz ablecken lassen und ihn dabei in ein quälendes, nicht enden wollendes Lachen treiben. Lachen ist wie der Schwedentrunk eine Foltermethode, um die Wahrheit aus dem Opfer herauszukitzeln: nämlich die, wo er seine Schätze vergraben hat, an die die Soldateska herankommen will.
    Auch wenn Kinder sich beim Kämpfen kitzeln, setzen sie auf die Entkräftung des Lachens, sie wollen den Gegner schwächen, außer Gefecht setzen, besiegen.
     
    Ein Witz aus dem Burenkrieg ist wie ein Echo auf diesen Tatbestand:
     
    Ein Kriegsteilnehmer erzählt auf einer Teegesellschaft in London, wie er während des Buschkriegs drei Tage von einem Zulu-Speer verwundet auf dem Steppenboden bei brennender Sonne in der Hitze gelegen habe.
    »Das muss doch sehr schmerzhaft gewesen sein?«, fragt die Dame des Hauses teilnahmsvoll.
    »Nur, wenn ich lachen musste«, erwidert der Burenkriegsveteran.
     
    Wer je mit gebrochenen Rippen darniedergelegen hat, weiß, dass neben dem Husten das Lachenmüssen die schmerzhafteste Erfahrung ist. Werden dem Kranken Witze erzählt, wirkt das wie Kitzeln, wie Reizhusten oder gar Niesen – eben schmerzhaft – durch das Lachen.
     
    In der Gesellschaft ist das Lachen der Lohn des Komikers, des Witzbolds – wie der Beifall für den Pianisten, den Schauspieler,den Trapezkünstler. Der Beifall symbolisiert, sozusagen stellvertretend, eine Umarmung, ein kollektives In-den-Arm-Nehmen des Künstlers durch sein Publikum, sein Auditorium. Das Gleiche gilt für das Lachen, es schließt ein, umarmt, es ist, als ob sich alle bei den Händen nähmen, es ist (im schlimmsten Fall) dem Schunkeln auf dem Oktoberfest ähnlich, wo sich auch alle unter Alkoholgenuss »gemeinmachen«. Der Witzeerzähler tritt seinen Zuhörern zu nahe, und sie bedanken sich für die im Lachen sanktionierte Verletzung ihrer Intimsphäre durch gemeinsames Lachen.
    Wer etwas vereint, etwas gemein(sam)macht, zur geschlossenen Gesellschaft, zur einigen Gemeinschaft, der schließt auch andere aus, andererseits.
    Henri Bergson hat in seinem bahnbrechenden Essay Das Lachen. Über die Bedeutung des Komischen analysiert, dass Komik nur in geschlossenen Systemen funktioniert. Andere fühlen sich dann (ebenso logisch) ausgeschlossen. Wenn man zum Beispiel in einem Restaurant, in einer Bar, in einer Hotelhalle oder einem Zugabteil, einer geschlossenen Gruppe beim Lachen zuhört, klingt das auf einmal nicht einnehmend, solidarisch, sondern abstoßend, ausschließend. Wer allein dem Lachen von Skatrunden, von Fußballfans, von Klassenreisenden zuhört, auf den wirkt das Lachen grundlos albern, gemein enthemmt, ja abstoßend. Man kommt sich umso verlassener vor, je ausgelassener die anderen sind bei ihrem Jägerlatein, ihren Zoten, ihrer Schadenfreude.
     
    Ein Beispiel für Witze, die absichtlich andere aussortieren und sich über sie lustig machen, sind natürlich die Schwellenangstwitze über Neureiche oder Kulturbanausen. Gut, dass wir nicht sind wie jene, will das höhnende Lachen dazu sagen.
     
    Ein preußischer Offizier kommt in die Oper. Wagners Lohengrin steht auf dem Programm. Er hat nicht mitbekommen, dass es eine Programmänderung gegeben hat.
    Er sitzt also und lauscht, rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her, bis es ihn nicht mehr hält und er flüsternd seinen Nachbarn fragt: »Wann kommt denn endlich der Schwan?«
    Der Nachbar sagt: »Überhaupt nicht. Das Programm wurde geändert. Das hier ist Figaros Hochzeit , nicht Lohengrin .«
    »Ach«, sagt der Offizier. »Dann kann ick ja jehen, da kenn ick jede Note.«
     
    Oder im Schauspielhaus: Ein Zuschauer sagt zu seinem Nachbarn: »Heute ist die Akustik nicht gut.«
    Der andere, nach einer Weile: »Jetzt höre ich’s auch!«
     
    Beim Tanzen: Die Komtesse versuchte es mit Konversation. Sie fragt den sie führenden Leutnant: »Kennen Sie Ibsen?«
    »Nee, wie tanzt man det?«
     
    Schon Henri Bergson hat Antwort auf die Frage gesucht: »Was haben die Grimasse des Clowns, ein Wortspiel, eine Verwechslung in einem Schwank und eine geistvolle Lustspielszene miteinander zu tun?« Das Buch Über das Lachen erschien Anfang des 20 . Jahrhunderts, und der Autor war von dem
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