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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition)
Autoren: Niklas Frost
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in
Mecklenburg-Vorpommern ein.

EINS
    »Wie seh ich aus?«, fragte Stamm. Von der Badezimmertür
aus sah er Eva missmutig an.
    Sie ließ den Lippenstift sinken und musterte ihn ausgiebig.
    »Auch ’ne Antwort«, murrte Stamm nach einer Weile, »auf deiner Stirn
steht ›Konfirmation‹.«
    Sie schüttelte langsam den Kopf. »Eher ›Bank-Azubi‹.«
    »Na toll! Ist dir klar, dass ich mich da gleich mit einem
waschechten Bankdirektor auseinandersetzen soll? Der wird große Stücke auf
meine Kompetenz halten.«
    »Kompetenz in was?« Sie hatte sich wieder umgedreht und begutachtete
im Spiegel das Rot ihrer Lippen.
    »Was weiß ich? Investments, Wintersport, Gourmet-Tempel, worüber man
so quatscht in diesen Kreisen.«
    »Davon hast du doch eh keine Ahnung, egal, was du anhast.« Sie
unterzog ihren Lidstrich einer kritischen Kontrolle.
    »Das weiß ich auch. Aber es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich
als Smart Guy oder als Azubi Scheiße erzähle.«
    Sie wandte sich wieder um und betrachtete ihn mit hochgezogenen
Augenbrauen. »Darf ich dich daran erinnern, wer uns diese tolle Weinprobe
eingebrockt hat? Ich habe mich ganz bestimmt nicht darum gerissen.«
    »Schon gut.« Er ging zu ihr und streichelte ihren Bauch. »Ich konnte
Wanja den Gefallen nicht abschlagen. Aber es bringt natürlich auch nichts, wenn
ich mich lächerlich mache.«
    Sie küsste ihn auf die Wange und hinterließ eine Lippenstiftspur.
»So schlimm ist es auch wieder nicht. Du siehst nur für mich etwas – ungewohnt
aus. Der Anzug sitzt eigentlich sehr schön. Nur diese bunte Krawatte … Ich bin
nicht sicher, ob man die heutzutage trägt. Hast du keine andere?«
    »Nur noch schlimmere.«
    Sie dachte nach. »Als was gehst du noch mal?«
    » PR -Profi.«
    »Gehen die bei Bankern nicht im weitesten Sinne als Kreative durch?«
    »Hm.«
    »Dann könntest du auf einen Nonkonformistenbonus setzen und dir den
Schlips sparen. Ein gedecktes Hemd oder ein Pullover wäre vielleicht sogar
passender.«
    Stamm dachte nach. »Mit Pullover würde ich mich, glaube ich, noch
unbehaglicher fühlen als mit einer verstaubten Krawatte. Aber das dunkle Hemd
ist eine gute Idee.«
    Er verschwand im Schlafzimmer und kehrte ein paar Minuten später in
einem dunkelbraunen Hemd mit unauffälligem schwarzem Fischgrätenmuster zurück.
Eva nickte ihm aufmunternd zu.
    »Schön.«
    Stamm lächelte zweifelnd und betrachtete sie zärtlich. »Ich glaube,
ich halte mich einfach ständig in deiner Nähe auf. Dann beachtet mich ohnehin
keiner.«
    »Du meinst, weil du dich hinter meinem dicken Bauch verstecken
kannst?« Das gerade geschnittene, dünne schwarze Strickkleid, das sie trug,
betonte in der Tat die allmählich unübersehbare Wölbung ihres Bauches.
    »Du siehst umwerfend aus«, sagte Stamm. Er trat zu ihr und nahm sie
in den Arm. Sie lehnte sich eine Weile an ihn, dann stieß sie ihn sanft von
sich weg.
    »Das Taxi kommt jeden Moment, und ich muss mir noch die Haare machen«,
sagte sie.
    Wie auf Stichwort ertönte die Türglocke.
    »Lass sie offen«, sagte Stamm.
    »Kommt nicht in Frage. Er soll ein paar Minuten warten.«
    Stamm sagte dem Taxifahrer durch die Sprechanlage Bescheid und holte
einen Blumenstrauß, den er im Küchenwaschbecken frisch gehalten hatte. Zwei
Minuten später kam Eva mit hochgestecktem Haar aus dem Bad und zog Schuhe und
Mantel an. Stamm stand schon in der offenen Wohnungstür, als ihn Eva
zurückrief. Mit einem Waschlappen wischte sie den Lippenstift von seiner Wange.
    »Friedrich-Springorum-Straße«, las Stamm die Zieladresse von
einem Zettel ab.
    Der Taxifahrer sah ihn an, als hätte er Tamilisch gesprochen. Obwohl
er ihn dann vermutlich besser verstanden hätte.
    »Fahren Sie einfach zum Südring, dann rechts und dann immer
geradeaus. Bis Zoo.«
    Der dunkelhäutige Fahrer startete den Diesel und wendete. Bevor er
in die Volmerswerther Straße abbog, drehte er sich um. »Aquazoo?«, fragte er
unsicher.
    Stamm seufzte. »Fahren Sie einfach! Ich sag schon Bescheid.«
    Als sie auf dem Südring waren und die lange Fahrt über die
B 8 quer durch die Stadt vor sich hatten, lehnte Eva ihren Kopf an
Stamms Schulter.
    »Erzähl mir noch mal, was wir dort eigentlich verloren haben.«
    »So genau weiß ich das auch nicht. Wanja tat etwas geheimnisvoll.
Ich hab das so verstanden, dass er ein größeres Bauprojekt einstielen will.
Deshalb will er alle, die irgendwie daran beteiligt sind, unverbindlich
zusammenbringen, wozu sich seiner Meinung nach eine
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