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Soljanka (German Edition)

Soljanka (German Edition)

Titel: Soljanka (German Edition)
Autoren: Niklas Frost
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als mit dem
Matsch zu tun hat.«
    Bach sah ihn nachdenklich an. »Soso.«
    Stamm ruderte ein wenig zurück. »Sie müssen entschuldigen, Herr
Bach, aber die Frage, was mit Angela seinerzeit genau passiert ist, ist der
einzig verbliebene weiße Fleck in dieser ganzen Geschichte. Das treibt nicht
nur mich um. Frau Dr. Terlinden kann sich nicht vorstellen, dass die
Vergewaltigung auf dem Volksfest der einzige Auslöser für Angelas furchtbare
Belastungsstörung war. Sie hat mir schon bei meinem ersten Besuch gesagt, dass
es vage Vermutungen gibt, dass die schrecklichen Vorkommnisse, die Angela
schildert – oder etwas ganz Ähnliches – in einer Jagdhütte passiert sind. Ist
das die Hütte, bei der damals dieser bekloppte Wildhüter – wie heißt er noch? –
auf mich geschossen hat? Dann würde ich verstehen, dass Sie Angela davon fernhalten
wollen.«
    Bach nahm einen der Küchenstühle, drehte ihn um und setzte sich
rittlings darauf. Die Arme auf die Lehne gestützt, sah er Stamm lange an. Dann
begann er zu reden, tonlos, als würde er ein Selbstgespräch führen.
    »Ich habe es die ganzen Jahre immer für besser gehalten, einige
Dinge nicht zur Sprache zu bringen. Ich wollte Angelas Erinnerung nicht wecken.
Ich hatte den Eindruck, je weniger sie an die alten Ereignisse denkt, desto
besser geht es ihr. Sühne war nicht mehr erforderlich oder möglich, weil die
Täter tot oder verschwunden waren. Wofür also daran rühren, wenn die Gefahr
bestand, dass Angela einen Rückfall erleidet? Frau Dr. Terlindens Theorie,
dass die traumatischen Ereignisse durch Aufklärung und Aufarbeitung therapiert
werden sollten, habe ich nie getraut. Leider hat die Verdrängung auch nicht
funktioniert. Sie erleidet die Rückfälle trotzdem. Ich weiß nicht, warum. Sie
kommen einfach so, ohne dass ich einen Anlass erkennen kann. Es kann ein
Alptraum sein, oder eine alltägliche Kleinigkeit, die sie an die Ereignisse
erinnert.«
    Bach stützte das Kinn auf seine Hände auf der Stuhllehne und schloss
die Augen.
    Stamm ließ ihm lange Zeit, dann fragte er: »Was ist passiert?«
    Bach öffnete die Augen und richtete sich langsam wieder auf.
    »Ich wusste es jahrelang auch nicht. Ich hatte aufgrund von Angelas
Schilderungen immer den Verdacht, dass irgendetwas in der alten Jagdhütte da
unten vor sich gegangen war, aber ich konnte dem nie auf den Grund gehen. Ich
habe versucht, das Vertrauen des alten Lebzien zu gewinnen, aber der war stur
wie ein Esel. War Dembski, der ihm nach der Wende den Job hier besorgt hat, in
Treue ergeben.«
    Er seufzte und schien in Gedanken weit abzuschweifen. Dann ruckte er
sich wieder zurecht. »Aber dann hat Dembski einen Fehler gemacht. Lebzien hatte
Ärger mit den Behörden. Hatte seine Aufgabe als Wildhüter zu ernst genommen und
einige streunende Hunde abgeknallt. Die alte DDR -Schule.
Im Jagdrevier hatte niemand etwas zu suchen. Mit Spaziergängern fand er sich
zähneknirschend ab, aber die Hunde … Dummerweise gehörte der letzte, den er
abschoss, dem stellvertretenden Bürgermeister von Waren, und der war nicht
einmal fünfzig Meter weit weg, als der Schuss fiel. Lebzien stand vor der
Entlassung, aber Dembski konnte ihm nicht helfen, sein Einfluss war ziemlich
dahin. Und schlimmer noch: Er versuchte es nicht einmal. Lebzien merkte, dass
sein einstiger Beschützer ihn abwimmelte, und wurde sauer. Ich kam ganz gut mit
dem Leiter des Landesforstamtes zurecht und konnte ein gutes Wort für Lebzien
einlegen. Er bekam noch einmal Bewährung, und dafür ist er mir bis heute
dankbar. Da habe ich endlich etwas darüber erfahren, was sich in der Hütte
abgespielt hat.«
    Zum Schluss war Bach immer leiser geworden, bis er ganz verstummte.
Er starrte melancholisch an Stamm vorbei zum Fenster hinaus. Stamm konnte seine
Ungeduld nicht bezähmen.
    »Was?«, fragte er.
    Bach sammelte sich. »Na ja, Details kannte Lebzien auch nicht. Aber
ich konnte mir trotzdem ein Bild formen. In der Zeit nach der Vergewaltigung
sind mehrmals Personen in der Hütte gewesen. Eine junge Frau und drei Männer.
Wer, konnte Lebzien nicht sagen. Sie waren vermummt. Aber Dembski wusste auf
jeden Fall davon, vielleicht war er auch dabei. Er hatte Lebzien eingeschärft,
darauf zu achten, dass die Gruppe nicht gestört wurde.«
    »Was, glauben Sie, ist in der Hütte passiert?«, fragte Stamm.
    »Ist das nicht offensichtlich? All die Dinge, die Angela bis heute
nicht überwinden kann. Drei Schweine haben unter satanistischem Mummenschanz
ihren
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