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Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück

Titel: Soldatenglück - Sedlatzek-Müller, R: Soldatenglück
Autoren: Robert Sedlatzek-Müller
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was mir selbst erst wenige Monate zuvor eingetrichtert wurde, gebe ich nun also an die nächsten Frischlinge weiter. Ein geschicktes System, denn so muss das vor Kurzem Erlernte erinnert und umso mehr verinnerlicht werden. Mir fällt auf, dass ich nicht anders mit den Rekruten umgehe, als ich es selbst erlebt habe. Die Notwendigkeit, einen unangenehmen Druck auszuüben, der eine schnelle Anpassung und Lernfähigkeit bewirkt, leuchtet mir in der neuen Rolle schnell ein. Ich erkenne an der Haltung der erfahrenen Ausbilder, dass es nicht um reine Schikane, sondern um einen erzieherischen Kniff geht. Terror und Angst bewirken eine erhöhte Lern- und Anpassungsbereitschaft. Anders ließe sich die Ausbildung, die bei vielen Jugendlichen mit einer Umerziehung einhergeht, in der kurzen Zeit nicht bewerkstelligen.
    Da ich meine Aufgaben gut und zuverlässig erledige, gewinne ich schnell an Ansehen in meiner Einheit. Von einem Anschiss bleibe ich verschont – bis auf ein Mal. Da benötigt die 4. Kompanie für eine Gefechtsübung ein zusätzliches Transportfahrzeug samt Fahrer. Ich bekomme also den Auftrag, mich um 11:00 Uhr vormittags mit einem unserer Lkw beim Kompanieblock der 4. einzufinden, Hauptfeldwebel Strenz erwartet mich. Obwohl ich eine Viertelstunde eher ankomme, stehen die etwa hundert Männer der Kompanie bereits in voller Gefechtsmontur angetreten vor dem Block. Im rechten Winkel zueinander stehen der I., der II. und der III. Zug regungslos auf dem gepflasterten Platz. Ein Soldat steht am offenen Ende dieser Hufeisenformation den Männern gegenüber. Es ist Hauptfeldwebel Strenz. Jeder Zug besteht aus etwa dreißig Mann. Diese sind in drei bis vier Gruppen, bestehend aus jeweils acht Soldaten, unterteilt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ihre Koppel mit der daran befestigten Trinkflasche, den Munitionstaschen, der Gasmaskentasche samt Zubehör und der Mehrzwecktasche, in die ein kleiner Kocher, Kochtopf, Essbesteck, Regenzeug und sonstiger nützlicher Kleinkram gestopft sind, schwer auf den Hüften liegt. Die Rucksäcke reißen an ihren Schultern und der Schlafsack obendrauf wird ihnen bei jedem Schritt in den Nacken wippen. Die Helme, griffbereit vor die Brust geschnallt, werden dazu im gleichen Takt auf die Rippen schlagen. Sicherlich wünschen sich die Maschinengewehrschützen in diesem Moment, das G3Sturmgewehr auf der Schulter zu haben, das ganze 7 Kilo leichter ist als ihr MG3. Dazu kommen noch die Munitionskästen. Jede Gruppe hat einen Maschinengewehrschützen, dem jeweils ein Kamerad aus der Gruppe als sogenannter MG-Zwo zugeteilt ist. Dieser hilft beim Schleppen der Munitionskästen und hat auf Befehl auch noch eine Lafette für das MG mit.
    Den Männern ist anzusehen, dass sie nicht erst seit wenigen Minuten dort stehen. Ich bin etwas verwundert, lasse mir jedoch nichts anmerken und melde mich bei Hauptfeldwebel Strenz, der den Männern gegenübersteht. Ich habe kaum ausgeredet, da herrscht er mich an, weshalb ich erst jetzt da sei. Ich bin mir keiner Schuld bewusst und sage ihm, dass ich den Auftrag erhalten habe, mich um 11:00 Uhr bei ihm zu melden und wir es 10 vor 11 haben. »Zulu!!!«, brüllt er mich an, dass man es sicherlich noch vor meinem 400Meter entfernten Kompanieblock deutlich vernehmen kann. »Zulu!!! Kennen Sie denn nicht den Unterschied zwischen Bravo- und Zuluzeit?« Ich verstehe gar nichts und sage schlichtweg: »Nein.« – »Wie blöd sind Sie eigentlich? Sie sind zwei Stunden zu spät!« Wutentbrannt schreit er mich vor versammelter Mannschaft weiter an. Dabei steht er so dicht vor mir, dass er mich bei jedem Wort anspuckt. Mit betretenen Gesichtern und versteinerter Miene sehen die Männer dem Spektakel zu. »Wir brauchen Sie jetzt nicht mehr!«, brüllt er abschließend. »Melden Sie sich in Ihrer Einheit zurück und lassen Sie sich eine Einweisung in die NATO-Zeiten geben!«
    Von der 4. Kompanie hatte ich bereits einige Horrorgeschichten gehört. Zum Beispiel, dass Hauptfeldwebel Strenz seine Untergebenen früher gerne mal mit einem alten Stahlhelm im Stillgestanden auf seiner Dienststube antreten ließ, um seinen Worten mit kräftigen Stockschlägen auf den Helm Nachdruck zu verleihen. Den Stahlhelm und den dazugehörenden »Disziplinator« hatte er noch als Insignien seiner Macht auf seiner Schreibstube, allerdings solle ihn eine für zwei Jahre verhängte Beförderungssperre davon abhalten, erneut zu ihnen zu greifen, heißt es. Ich will es nicht herausfinden. Der
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