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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen
Autoren: Kristin Harmel
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auf, um zu protestieren, denn das ist Jacob gegenüber auch nicht fair. Aber er hebt eine Hand, um mir Schweigen zu gebieten. »Ich werde es immer bedauern, nicht hier gewesen zu sein, um zu sehen, was er sehen durfte. Aber das ist nun einmal das Schicksal, das das Leben uns zugeteilt hat. Und wir müssen es akzeptieren. Man kann im Leben nur nach vorn blicken. Man kann die Zukunft ändern, aber nicht die Vergangenheit.«
    Ich nicke zögernd. »Es tut mir leid«, sage ich noch einmal, aber die Worte kommen mir lahm und nichts sagend vor. »Hat Mamie irgendetwas über ihn gesagt?«, frage ich. »Zu dir? Bevor sie gestorben ist?«
    Er nickt und wendet den Blick ab. »Sie hat mir alles erklärt, so gut sie konnte«, sagt er. »Ich glaube, sie dachte, sie müsse mir helfen, es zu verstehen, aber in Wahrheit habe ich es immer verstanden, Hope. Der Krieg hat uns auseinandergerissen, und es gibt Dinge, die lassen sich nicht wieder zusammenfügen.«
    »Was hat sie dir erzählt?«
    Er wendet sich zu mir um. »Im Spätherbst 1942 hat sie es nach Spanien geschafft. Dort hat sie deinen Großvater kennengelernt. Er war mit einem US-Militärflugzeug über Frankreich abgeschossen worden, und wie deine Großmutter war auch er über Kanäle in Frankreich, die die Alliierten unterstützten, nach Spanien geschmuggelt worden. Er und deine Großmutter wurden in demselben Haus versteckt, und so haben sie sich kennengelernt. Er hat sich in deine Großmutter verliebt, die bald ihr Kind erwartete. Etwa zu dieser Zeit gab es einen Flüchtlingsstrom von Juden, die aus Paris entkommen waren, Menschen, die Rose in ihrem früheren Leben gekannt hatte, und sie sagten ihr, ich sei tot. Anfangs hat sie es nicht geglaubt, aber ein paar der Leute behaupteten, sie hätten mich auf den Straßen von Paris sterben sehen. Ein anderer sagte, er hätte gesehen, wie ich in Auschwitz zur Gaskammer geführt wurde.«
    »Mein Gott«, murmele ich nur. Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll.
    Jacob sieht aus dem Fenster, wo sich allmählich Eisblumen auf der Scheibe bilden und unsere Sicht in die Dunkelheit draußen verschleiern. »Anfangs hat sie es nicht geglaubt«, sagt er noch einmal. »Sie sagte, sie hätte es in ihrer Seele nicht gefühlt. Aber je mehr Menschen ihr erzählten, ich sei gestorben, desto überzeugter wurde sie, dass es doch stimmte und dass das, was sie fühlte, darauf beruhte, dass ich durch das Kind weiterlebte, das in ihr heranwuchs. Da wusste sie, dass sie unsere Tochter um jeden Preis beschützen musste. Und als Ted ihr einen Antrag machte und anbot, sie mit zurück in die Vereinigten Staaten zu nehmen, bevor das Baby zur Welt kam, da wusste sie, dass unser Kind damit die Chance haben würde, als Amerikaner geboren zu werden, was wir uns immer erträumt hatten. Es würde unserem Kind die Chance geben, in einem Land aufzuwachsen, in dem es für immer frei sein könnte.
    Sie ging mit deinem Großvater in die Vereinigten Staaten, wo er sie heiratete«, fährt Jacob langsam fort. »Sie ließen ihn auf der Geburtsurkunde als Josephines Vater eintragen, damit es keine Komplikationen gab. Später ließen sie das Geburtsjahr gegen ein kleines Bestechungsgeld abändern, damit niemand nachrechnen und die Geschichte anzweifeln würde. Dein Großvater hat deine Großmutter nur um eines gebeten: dass sie ihm gestattete, Josephine als seine eigene Tochter großzuziehen, dass Josephine nie von meiner Existenz erfahren würde.«
    »Das heißt, sie hat meiner Mutter nie von dir erzählt?«
    Jacob schüttelt den Kopf. »Das war, sagte sie, eines der Dinge in ihrem Leben, die sie mit am meisten bedauerte. Aber Ted wurde ein wundervoller Vater, und sie hatte das Gefühl, das Versprechen halten zu müssen, das sie ihm gegeben hatte. Sie hatte ein Leben für ein anderes getauscht, und sie vergaß nie den Handel, auf den sie sich eingelassen hatte. Aber Rose sagte, sie hätte versucht, mich auf andere Weise für Josephine lebendig zu halten.«
    »In ihren Märchen«, murmele ich. »Du warst die ganze Zeit da, in den Geschichten, die sie meiner Mom und mir erzählt hat.« Ich halte kurz inne, und auf einmal muss ich an etwas denken, was Mamie mir erzählt hat. »Aber mein Großvater ist doch 1949 nach Paris gefahren, oder? Um herauszufinden, was mit dir und der Familie meiner Großmutter passiert ist?«
    Jacob holt einmal tief Luft und nickt. »Das ist der eine Teil der Geschichte, für den deine Großmutter keine Erklärung hatte«, sagt er. »Und ich brachte
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