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Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)

Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)

Titel: Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)
Autoren: Thorsten Bonsch
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vor, dein Vater hätte sich das Nachbarhaus ausgesucht.“
    Meine Mum deutete auf die zugewachsene, heruntergekommene Villa im spätgotischen Stil rechts neben unserem Bungalow. Sie fiel durch ihre Architektur komplett aus dem Rahmen. Das Grundstück war als einziges von einer wildwuchernden, mannshohen Hecke umschlossen, während alle anderen Vorgärten typischerweise keine Begrenzungen aufwiesen. Und ja, die Villa wirkte verfallen und leer, aber das war nicht alles. In der strahlenden Mittagsonne glänzte sie in einem Zwielicht, wie man es von den seltenen Tagen kennt, an denen trotz dicker Gewitterwolken ein Paar Sonnenstrahlen den Erdboden erreichen und die Regentropfen wie Quecksilber aussehen lassen.
    „Wäre auch nicht schlimmer. Es hat doch einen gewissen Charme.“
    „Das sagst du. Du musst ja auch nicht alle Fenster putzen. Außerdem wirkt es unheimlich.“
    „Finde ich nicht. Es wirkt wie, ... wie ...“
    „Wollt ihr hier im Wagen übernachten?“ Mein Vater hatte die Fahrertür aufgerissen und beugte sich zu uns in das Auto. „Es sieht so aus, als können die Schlappschwänze von Wasco Hilfe gebrauchen. Ich will, dass das Haus bis zu meinem Dienstantritt morgen Früh bewohnbar ist, also los, Jul. Zack-Zack.“
    Ich hasste es, wenn er so sprach.
     
    In einem Film hätten wir jetzt zu dritt auf dem Bürgersteig vor dem Haus gestanden, Vater in der Mitte, Mum und mich im Arm, auf das Haus geblickt und gesagt, wie schön unser neues Heim ist. Stattdessen ging ich zum Möbelwagen, während meine Eltern das Haus allein betraten. Wenigstens gab es einen kleinen Lichtblick, denn einer der beiden Möbelpacker war ein gutaussehender, junger Latino mit Latzhose, hautengem Unterhemd und einem einnehmenden, blendenden Lächeln, das durch seine dunkle Hautfarbe besonders strahlend wirkte. Zwar wusste ich nicht, ob er schwul war, aber selbst wenn, hätte es keinen Unterschied gemacht. Er würde nach erledigtem Auftrag aus Cape Orchid verschwinden und in eine Stadt zurückkehren, die mit ziemlicher Sicherheit größer und besser war als dieses Nest und in der man sich nicht für seine Neigungen verstecken muss.
    Aber er war offen und freundlich, also genoss ich einfach seine Gegenwart und half hauptsächlich ihm beim Entladen und Hereintragen der Möbel, immer darauf bedacht, dass der General nicht misstrauisch wurde.
    Ein erstes Mal ist immer einprägsam, vermutlich sogar für den Rest unseres Lebens. Das gilt nicht nur für den ersten Sex, sondern für jedes einschneidende Erlebnis, abgesehen von der eigenen Geburt, dem ersten gesprochenen Wort und ähnlichen Dingen, die in den frühsten Jahren der Kindheit stattfinden; in einer Zeit, in der unser fast noch leeres Gehirn mit wesentlichen und unwichtigen Ereignissen überflutet wird. Aber ich glaube, jeder erinnert sich an seinen ersten Tag in der Elementary- und der Highschool, an das erste Ferienlager, die erste Zigarette und an viele weitere Anfänge.
    Ich erinnere mich auf jeden Fall an die erste Nacht in unserem neuen Heim. Innerhalb weniger Stunden nach unserer Ankunft sah das Haus wie eine Baustelle aus. Es gab kaum ein Zimmer, in dem nicht Kisten, riesige Plastiktüten oder beschriftete Kartons zwischen den teils unausgerichteten Möbeln herumstanden. Gegen Abend bestellten wir Pizza für meine Mum und mich und einen Salat für den General. Danach ging es weiter mit dem Auspacken und Einräumen, bis mein Vater um kurz vor Mitternacht entschied, dass sich unser neues Haus in einem prinzipiell bewohnbaren Zustand befand. Diese Feststellung bezog sich zwar nicht auf mein Zimmer im ersten Stock, aber ich war zu erschöpft von der Reise und dem Umzug, um in der Nacht noch etwas daran zu ändern. Ich suchte lediglich den Karton mit meinem Bettzeug, bezog die noch auf dem Boden liegende Matratze und legte mich in dem ganzen Durcheinander schlafen.
    Der kleine Bruder des Todes wollte nicht kommen. Unruhig, müde, mürrisch, aber wach, wälzte ich mich von einer Seite auf die andere. Im matten Licht des sichelförmigen Mondes betrachtete ich die verschwommenen dunkelgrauen Umrisse der Einrichtung vor dem schwarzen Hintergrund. Chaos. Dieses Wort beschrieb nicht nur den Zustand meines Zimmers, sondern den meines kompletten Lebens. Gegen meinen Willen arbeitete mein Gehirn auf Hochtouren, fleißig damit beschäftigt, die durch den Umzug entstandenen Verluste durchzugehen. Freunde, Ereignisse, die Sicherheit einer gewohnten Umgebung.
    Es war zu warm, um zu schlafen.
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