Söhne der Erde 20 - Durch die Hölle
Sekunden lang schien die Szene wie erstarrt, mischte sich Coradis mühsames, qualvolles Röcheln mit Charrus keuchenden Atemzügen. Er sah das zuckende, angstverzerrte Gesicht vor sich, das blau anlief. Er spürte den sich windenden Körper unter sich, spürte Irnets Hände, die ihn wegzuzerren versuchten, und das Pochen der Halsschlagadern unter seinen Fingern. Er sah Coradis aufgerissene, flackernde Augen, aber nicht einmal die Todesangst in diesen Augen hätte ihn aufhalten können.
Gillon brauchte nur wenige Sekunden, um die beiden Männer zu erreichen und Irnet beiseite zu stoßen.
An der Schulter riß er Charru zurück. Coradi sank schlaff im Sand zusammen, rang nach Luft und würgte. Charru wirbelte wie von einer Feder geschnellt herum. Gillon konnte dem blitzschnellen, reflexhaften Fausthieb nicht ausweichen. Aber da war schon Karstein heran, und der Nordmann hatte begriffen, daß es nur noch eine Methode gab, um Unheil zu verhüten.
Charru sah die Faust nicht kommen, die ihn am Kinn traf.
Drei, vier Schritte taumelte er zurück, brach zusammen, und für einen winzigen Moment schien der rote Schleier vor seinen Augen zu reißen, bevor er das Bewußtsein verlor.
*
Auf dem Mars dehnte sich die Wüste mit dem Namen New Mojave in der Sonne.
Conal Nord lenkte den weißen Jet über die Gleiterbahn, die von den stillgelegten Forschungsstationen in den Mojave-Kratern nach Kadnos führte. Staub wehte in dünnen Schlieren durch die Luft. Aber der Venusier wußte, daß er nichts zu befürchten hatte. Bei einem der plötzlichen, auf dem Mars gefürchteten Sandstürme würde sich automatisch ein Energietunnel aufbauen, der die Gleiterbahn schützte.
Nord bereute bereits, daß er diesen sinnlosen Ausflug unternommen hatte.
Zerstörung, mehr war nicht zurückgeblieben. Bilder, die alte Wunden aufrissen. Die Singhal-Klippen, von Laserkanonen dem Erdboden gleichgemacht. Der Platz in der Nähe der Garrathon-Berge, wo so verzweifelt um die alte »Terra« gekämpft worden war. Der Sirius-Krater. Und schließlich die alte Sonnenstadt, die auch nur noch einem gewaltigen Krater glich, zerstört von jenen fremden Zeitreisenden, bei denen die Terraner für eine Weile Zuflucht gefunden hatten und an deren Existenz auf dem Mars niemand glauben wollte.
Auch Conal Nord nicht.
Und doch war ihm bewußt, daß es in diesem Zusammenhang zu viele ungeklärte Fragen gab. Wer hatte die geheimnisvolle Strahlung erzeugt, die jene marsianischen Renegaten in den Hügeln zu Geisteskranken und ihre Kinder zu Krüppeln machte? Was war wirklich geschehen - damals, als sich die Armee der Vereinigten Planeten plötzlich in der Vergangenheit wiederfand, als der Krieg um die Sonnenstadt noch einmal geführt wurde und sich der heroische Untergang der alten Marsstämme im Kampf gegen die Flüchtlinge von der Erde wiederholte? Und wenn das alles nur Halluzinationen gewesen waren - wer hatte dann die drei Robot-Schiffe in die Luft gesprengt, für die es eigentlich eine Kleinigkeit hätte sein müssen, die flüchtende »Terra« zu vernichten?
Conal Nord schüttelte die Gedanken ab, als die weiße, schimmernde Silhouette von Kadnos vor ihm auftauchte.
Nein, es war kein guter Einfall gewesen, noch einmal die Stationen des Weges zu besuchen, der seine Tochter und Charru von Mornags Volk am Ende doch in den Untergang geführt hatte. Der Venusier rieb sich müde mit dem Handrücken über die Stirn. Jenseits der Urania-Brücke wies er seine ID-Plakette vor. Auf den Gleiterbahnen innerhalb der Stadt herrschte um diese Zeit reger Verkehr, aber für Vollzug, Verwaltung und Rat stand eine gesonderte Flugebene zur Verfügung. Conal Nord ließ den Jet bis über das Netz der gläsernen Transportröhren mit den emsig surrenden Laufbändern steigen, flog an den überkuppelten Türmen des Observatoriums vorbei und landete auf dem flachen Dach des Regierungssitzes.
Der Verwaltungsdiener, der den Jet übernahm, verbeugte sich respektvoll.
»Eine dringende Nachricht für Sie, Gouverneur«, meldete er. »Präsident Jessardin läßt Sie bitten, ihn in seinem Büro aufzusuchen.«
»Danke, Dreizehn ...«
Conal Nord hatte sich inzwischen daran gewöhnt, daß auf dem Mars ein Teil der Menschen mit Dienstnummern statt mit Namen angesprochen wurden. Eine rationelle Lösung, da sie es überflüssig machte, sich neue Gesichter zu merken. Dreizehn blieb immer Dreizehn: ein Verwaltungsdiener mit einer bestimmten Funktion. Welcher Mann oder welche Frau diese Funktion jeweils
Weitere Kostenlose Bücher