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Söhne der Erde 18 - Das Schattenvolk

Söhne der Erde 18 - Das Schattenvolk

Titel: Söhne der Erde 18 - Das Schattenvolk
Autoren: Susanne U. Wiemer
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wartete, bis jemand Feuer geschlagen und eine Fackel entzündet hatte, dann ging er voran.
    Camelo von Landre, sein Blutsbruder, blieb dicht hinter ihm. Neben ihm trug der rothaarige Gillon von Tareth die Fackel. Unruhig huschte das Licht über die feucht schimmernden Felsen, ließ Karsteins blonde Mähne leuchten, fing sich in den grünen Augen von Gillons Vetter Erein. Kormak und Brass gingen am Schluß: der Nordmann mit einer Taurolle bepackt, der schlanke, kraushaarige Brass mit dem Dolch in der Faust, den er dazu benutzte, Wegzeichen in den Stein zu kratzen.
    Der Boden fiel steil ab.
    Schon nach wenigen Minuten war der Eingang nur noch als heller Punkt zu erkennen. Ein Punkt, der verschwand, als der Gang eine Biegung machte und in eine kleine Grotte mündete.
    Charru blieb stehen.
    Auf Anhieb hatte er mindestens drei verschiedene Löcher im Felsen entdeckt. Er holte tief Luft.
    »Cris!« schrie er, so laut er konnte. »Cris! Cris!«
    Die anderen fielen ein.
    Dröhnend hallte der Name des Jungen von den Wänden wider, brach sich als dutzendfaches Echo im Gewirr der Grotten und Gänge. Die Männer hielten inne, lauschten, aber außer dem verklingenden Echo kam keine Antwort.
    »Weiter!« sagte Charru gepreßt. »Geradeaus am besten.«
    Sie setzten sich wieder in Bewegung. Schweigend, zielstrebig, verbissen gegen die Gewißheit kämpfend, daß es kaum eine Chance gab, den Jungen zu finden. Jede Wahrscheinlichkeit sprach dafür, daß er in einem überfluteten Gang ertrunken war. Aber sie wollten einfach nicht daran glauben.
    »Cris! Cris!«
    Immer wieder schrieen sie den Namen, immer wieder verharrten sie und lauschten. Nichts rührte sich. Nur einmal löste sich polternd ein Stein und streifte den blonden, bärtigen Karstein an der Schulter. Charru fuhr zusammen und spähte aus schmalen Augen zur Decke.
    »Ziemlich brüchig«, stellte er fest.
    »Mir egal!« sagte Erein durch die Zähne.
    Charru warf ihm einen Blick zu. »Mir nicht! Aber wir gehen trotzdem weiter. Und wir wissen, daß du genausowenig umkehren willst wie wir. Du brauchst es uns nicht dauernd zu beweisen.«
    Erein schwieg und preßte die Lippen zusammen.
    Während der nächsten Minuten verfiel er in düsteres Grübeln. Er wußte, er wollte wirklich beweisen, daß ihm nicht weniger als den anderen daran lag, den Jungen zu finden. Er war auf Cris losgegangen, weil er ihn mit Malin überrascht hatte und weil Malin als Gillons zukünftige Frau galt. Er, Erein, hatte den Jungen einen Feigling und Lügner genannt und war dafür unter einem wilden völlig überraschenden Angriff zu Boden gegangen. Aber konnte jemand wissen, wie tief sich Cris getroffen fühlte? Vielleicht hatte er deshalb bei der Flucht aus Jordan Magners Untersee-Festung so entschlossen den Kampf gesucht. Vielleicht war er soweit hinter den anderen zurückgeblieben, weil immer noch dieses eine Wort in ihm brannte: Feigling ...
    »Halt!« befahl Charru gedämpft.
    Er war an einer Biegung stehengeblieben und lauschte. Irgendwo rieselte Wasser. Ein Stein polterte weiter vorn in der Finsternis. Dröhnend schlug er auf, weckte ein hallendes Echo, das sich zwischen den Wänden brach und zu einem dumpfen Geräusch erstarb, einem trockenen Scharren ...
    »He!« flüsterte Karstein. »Das war doch ...«
    Charru hob die Hand zu einer knappen Geste.
    Erneut riefen sie Cris' Namen. Einmal, zweimal, dreimal - wieder und wieder. Und als sie diesmal lauschend innehielten, hörten sie mehr als nur das Echo ihrer eigenen Stimmen.
    Charru hielt den Atem an, als der erstickte Schrei an sein Ohr drang.
    Ein Laut zwischen Schluchzen und Jubel, der nicht einmal so weit entfernt war. Wenige Meter vor ihnen beschrieb der Gang einen scharfen Knick. Charru lief darauf zu, bog um die Ecke, und noch ehe Gillon ihm mit der Fackel folgte, konnte er die schwankende Gestalt in der Dunkelheit erahnen.
    »Charru! Charru ...«
    Die Stimme überschlug sich.
    Jetzt endlich fiel der Widerschein der Fackel in den Gang, streifte wirres blondes Haar, ein bleiches, blut- und dreckverschmiertes Gesicht, schräge topasfarbene Augen. Die Kleidung des Jungen bestand nur noch aus Fetzen. Steinkanten hatten seine Haut aufgerissen, der schmale Körper war über und über mit Staub bedeckt. Aber er lebte, auch wenn seine Züge das ganze Grauen widerspiegelten, das er in den letzten Stunden erlebt haben mußte.
    Wie gehetzt rannte Cris auf Charru zu, taumelte gegen ihn und klammerte sich zitternd an ihm fest, als wolle er ihn nie mehr
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