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Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Titel: Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt
Autoren: Susanne U. Wiemer
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folgten den Dreiecksflossen, die in immer größerem Abstand das Schiff umkreisten.
    »Ich weiß nicht,« murmelte er. »Vielleicht ...«
    Aber Charru hatte das bestimmte Gefühl, daß er der Antwort absichtlich auswich.
III.
    Flugzeuge kreisten über den Ruinen von New York.
    Vier schlanke silberne Maschinen, die das letzte Sonnenlicht in gleißenden Reflexen zurückwarfen. Das Heulen der Triebwerke schwoll zum hohen, grellen Singen an, ließ sekundenlang die Luft vibrieren und mäßigte sich zum verebbenden Grollen, als das kleine Geschwader über die Totenstadt hinwegzog.
    In Bar Nergals Ohren war der Höllenlärm Musik.
    Der Oberpriester stand auf dem Dach des höchsten noch erhalten gebliebenen Gebäudes, jenem schwindelerregenden Turm aus Stahl und Beton, der auch den Tiefland-Kriegern nach der Landung der »Terra« schon einmal als Aussichtspunkt gedient hatte. Wind zerrte an der roten Robe, die jetzt von einem Gürtel aus geflochtenen Plastikschnüren zusammengehalten wurde. Bar Nergals tiefliegende schwarze Augen funkelten, während er den Flugzeugen nachblickte, die nur noch silbrige Punkte am Himmel waren.
    Seine Armee!
    Eine Streitmacht, die Furcht und Schrecken verbreitete, die seine Gegner zerschmettert und ein ganzes Dorf im Bombenhagel vernichtet hatte! Waffen und Maschinen, die ihn jedem anderem Volk der Erde überlegen machten! Er, Bar Nergal, würde diesen Planeten beherrschen. Er hatte die Macht, jeden zu unterwerfen, der es wagte, sich ihm in den Weg zu stellen ... Macht - das Zauberwort, das in seinem Leben von jeher die wichtigste Rolle spielte.
    Unter dem Mondstein hatten ihm die schwarzen Götter diese Macht verliehen. Jetzt war er selbst es, den das Volk der toten Stadt als Gott verehrte. - Und mit der Technik aus der Vergangenheit war er unbesiegbar.
    Die Vision seiner zukünftigen Herrschaft ließ ihn die gähnende Tiefe unter sich vergessen, die Häßlichkeit der endlosen Trümmerfelder, alles.
    Ringsum duckten sich die kleinen, fellbedeckten Bewohnerinnen der Ruinenstadt angstvoll hinter die Brüstung des windgepeitschten Dachs. Eine Eskorte wilder Katzenwesen, ein Thron, den mutierte Ratten zogen, Untertanen in finsteren Kellerlöchern und eine zugige Lagerhalle als Behausung - diese Dinge berührten Bar Nergal kaum, obwohl sie seinen glänzenden Zukunftsvisionen widersprachen. Sie bedeuteten nichts. Wichtig waren allein die Waffen. Und diejenigen, die damit umgehen konnten und bereit waren, ihr Leben zu riskieren, weil ihr Glaube ihnen befahl, den »Göttern« von den Sternen zu dienen.
    Bar Nergal wandte sich ab, als das Heulen der Triebwerke wieder anschwoll.
    Ein Wink brachte seine Anhänger in Bewegung. Zai-Caroc mit den scharfen Zügen und den fanatisch funkelnden Augen trug das Lasergewehr. Der düstere schwarzhaarige Shamala beeilte sich, die Tür zu öffnen, die auf die steile Treppe führte. Die Angst vor einem Vernichtungsschlag der Marsianer hatte die beiden Priester bewogen, Bar Nergal zu folgen und sich von den übrigen Terranern zu trennen, genau wie Beliar und Jar-Marlod, ein paar Akolythen und wenige Tempeltal-Leute. Berechtigte Angst. Das alte Ionen-Raumschiff war zerstört worden. Die Anhänger des Oberpriesters hielten sich für die einzigen Überlebenden und glaubten, das bessere Los gezogen zu haben. Trotz der trostlosen Umgebung, trotz der bedrohlichen Anwesenheit eines Heers wolfsgroßer mutierter Ratten - und trotz des Wahnsinns, den sie bisweilen in Bar Nergals Augen glimmen sahen.
    Eine Sänfte wartete im obersten Stockwerk der Hochhaus-Ruine: ein groteskes Gebilde, das aus einem weißen Kunststoff-Sitz und geflochtenen Tragriemen bestand. Grotesk wirkte auch der fahrbare Thron tief unten auf der geborstenen, mühsam vom Schutt freigeräumten Straße. Charilan-Chi, Königin des gespenstischen Bienenstaates, verneigte sich tief. Sie war fast völlig menschlich, wenn man von den schrägen gelben Augen absah, die eher den Raubtierlichtern ihrer Kriegerinnen glichen. Eine Flut goldener Locken umgab das feinknochige Gesicht, in dem sich puppenhafte Schönheit mit animalisch-wilden Zügen mischte. Sie verstand die Sprache der »Götter,« hatte stets ihre unverständlichen Gesetze befolgt und fühlte sich nun am Ziel ihres Lebens. Denn ein »Gott« war von den Sternen herabgestiegen, um endlich seinen Platz als oberster Herrscher einzunehmen und das Volk der toten Stadt wieder groß zu machen.
    Bar Nergal lauschte dem Heulen der landenden Flugzeuge, während er den
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