Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock

Titel: So wie ich will - Mein Leben zwischen Moschee und Minirock
Autoren: Melda Akbas
Vom Netzwerk:
könnte man glatt meinen, er würde sonst wo schweben. Aber das Foto zeigt noch etwas, das man auf dem ersten Blick vielleicht nicht sofort erkennt - den totalen Gegensatz zwischen ihm und mir: lustig war ich zwar auch, allerdings im völlig nüchternen Zustand, null Komma null Promille. Meine Eltern saßen mit am Tisch. In ihrem Beisein hätte ich, obwohl achtzehn und damit auch nach türkischem Recht erwachsen, nicht einmal gewagt, an einem der zahlreichen Gläser, die Onkel Kaan leerte, auch nur zu nippen. Mich wunderte sowieso, dass Baba sich die Trinklaune seines Schwagers seelenruhig mit ansah. Sonst reagiert er höchst allergisch, wenn ein Muslim in seinem Beisein zu Alkohol greift. Und Onkel Kaan veranstaltete auf der Hotelterrasse quasi öffentliches Kampftrinken mit Ansage.
    Da fällt mir ein, an diesem Abend hätte sogar Anne
um ein Haar gesündigt. Es war schon spät. Auf dem Tisch stand ein Glas mit Cola, zumindest dachte sie das. Sie nahm einen Schluck, spuckte ihn aber sofort wieder ins Glas zurück. Sie war vielleicht entsetzt. Ihren Gesichtsausdruck hätte man fotografieren sollen. Anscheinend hatte sie eins von Onkel Kaans Gläsern erwischt. Der hatte sich die Cola mit einem ordentlichen Schuss Bacardi verdünnen lassen.
    Bei Alkohol ist Anne rigoros. Sie rührt keinen Tropfen an, weder Wein noch Bier, noch sonst etwas, auch nicht heimlich, für sie würde ich meine Hand ins Feuer legen. Bei Baba wäre ich da schon vorsichtiger. Er scheint nicht so konsequent zu sein.
    Einmal, es ist noch gar nicht lange her, waren wir auf einer Hochzeit. Es war eine von diesen typischen türkischen Großfeiern, die ich lieber meide, vor allem wenn es sich um eine Hochzeit handelt. Hochzeiten sind der absolute Horror! Vielleicht ja nicht, wenn man selbst heiratet, ich meine, aus freien Stücken und nicht versprochen und verkuppelt von den eigenen Eltern. Doch ich komme mir dabei immer wie auf einem Viehmarkt vor. Zu jedem muss man höflich sein, selbst wenn man ihn oder sie überhaupt nicht ausstehen kann. Und wenn man nicht gerade steinalt ist oder einen furchtbaren Buckel hat, beglotzen einen die ganze Zeit irgendwelche Mütter und deren Söhne, die herauszufinden versuchen, ob man eine gute Partie abgeben würde. Und zu allem Überfluss ist das Essen meistens ziemlich mies. Wer kann für so eine große Meute schon gut kochen?
    Warum mich Baba unbedingt bei dieser Feier dabeihaben wollte - ich habe es bis heute nicht herausgekriegt. Es
waren nicht einmal enge Verwandte von uns. Ich kannte weder Braut noch Bräutigam und von den Gästen auch niemanden. Zumindest entdeckte ich keinen, den ich kannte, was bei dreihundert oder vierhundert Leuten in einem mittelgroßen Saal auch nicht so einfach war.
    Aber um die Gästeschar genauer unter die Lupe nehmen zu können, blieben wir gar nicht lange genug. Denn kaum war die Braut mit dem üblichen Brimborium in den Saal einmarschiert, bestand Baba plötzlich darauf, dass wir sofort aufbrechen. Nicht, dass mich sein Sinneswandel unglücklich gemacht hätte, ich fragte mich nur, was ihn auf einmal geritten hatte. Erst hüh, dann hott. Und in was für einem Tempo! Baba hastete los, als würde er verfolgt. Anne und ich hinterher.
    »Was ist denn passiert?«, fragte ich auf dem Weg nach draußen.
    Anne sah mich verwundert an: »Na, hast du nichts bemerkt?«
    »Es war ziemlich voll, und die Luft war stickig und …«
    »Die Kerle am Tisch hinter uns haben Alkohol getrunken!«, unterbrach sie mich kopfschüttelnd, als könne sie nicht fassen, was sie soeben hatte mit ansehen müssen. In der Zwischenzeit hatten wir Baba eingeholt, der am Auto auf uns wartete. Auch er war ganz außer sich: »Alkohol auf einer Hochzeit! Das habe ich noch nie erlebt.«
    Dermaßen strikt gegen alkoholische Getränke kann Baba nicht immer gewesen sein, denn es gibt auch andere Geschichten, von früher. Damals soll er manchmal mit Freunden hier in der Nähe in einer Bar herumgehangen haben. Davon hat mir Tayfun erzählt. Ich war zu der Zeit noch zu klein, um mich daran erinnern zu können. Ein anderes
Erlebnis scheint meinem Bruder auf fast traumatische Weise in Erinnerung geblieben zu sein: Als Jugendlicher reiste er mit seiner Fußballmannschaft einmal zu einem Turnier nach Spanien. Einige Väter von Spielern begleiteten die Jungs, als Fans und Aufpasser, darunter auch Baba. Tayfuns Mannschaft gewann und bekam bei der Siegerehrung einen Pokal überreicht. Damit die Spieler auf ihren Sieg anstoßen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher