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So weit der Wind uns trägt

So weit der Wind uns trägt

Titel: So weit der Wind uns trägt
Autoren: Ana Veloso
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Lust aufs Malen bekommen. Es gibt da jemanden, den ich als Modell sehr reizvoll fände.«
    »Darf ich mich geschmeichelt fühlen?«
    »Hm – ja. Aber es wird natürlich kein echter LL werden. Laura Lisboa gibt es nicht mehr. Je mehr ich von Galerien, Museen oder Sammlern dazu gedrängt werde, doch bitte weitere LL -Arbeiten zu produzieren, desto weniger Lust habe ich darauf. Die sind alle nur am Profit interessiert, nicht an meinem Können.«
    »Und du? Bist du nicht am Profit interessiert?«
    »Nein. Ich habe mehr Geld, als ich ausgeben kann. Und mehr, als Ricardo braucht.«
    »Du willst dir also ein neues Pseudonym zulegen?«
    »Vielleicht. Vermutlich aber male ich nur für mich. Die Arbeiten müssen nicht unbedingt ausgestellt oder gar verkauft werden.«
    »Ich schätze, mit einem todkranken Mann wie mir als Modell wären sie auch unverkäuflich.«
    Das sah Laura ganz anders, doch sie äußerte ihre Meinung nicht. Stattdessen fragte sie: »Können wir gleich morgen anfangen? Hätten Sie Lust, zu mir in die Rua Ivens zu kommen? Sie sollten etwa zwei bis drei Stunden Zeit mitbringen.«
    Fernando sah sie nachdenklich an. Die Versuchung, nach Jahren wieder einmal Jujús alte Wohnung zu betreten, war groß – genau wie die Gefahr, dort von Erinnerungen und Trauer übermannt zu werden. »Nein, ich halte es für besser, wenn Sie zu mir kommen.«
    Laura fertigte in den darauf folgenden Wochen etwa zehn Arbeiten an. Ihre schöpferische Energie war zurückgekehrt, und das Wissen, dass Fernando Abrantes nicht mehr lange leben würde, trieb sie zu ungeahnter Schnelligkeit an. Die Porträts des schönen, verwitterten Gesichtes mit seinen unglaublich strahlenden Augen wurden zu den besten Bildern, die Laura jemals gemalt hatte. Wären sie je auf den Markt gelangt, hätten sie als Spätwerke Laura Lisboas sicher astronomische Preise erzielt.
    Im Dezember 1973 starb Fernando Abrantes. Was weder der Rede des Padres bei der Beisetzung noch dem Nachruf in der Zeitung gelang, das schafften Lauras Bilder: Fernando ein würdiges Andenken zu verschaffen. Dona Elisabete und ihre Kinder, Ricardo, Marisa und Laura selber sollten jedoch für Jahre die Einzigen bleiben, die die grandiosen Porträts des großen alten Mannes bewundern konnten.
     
    Wenige Monate später, am 25 . April 1974 , rückten die politischen Ereignisse, die Portugal schlagartig aus seiner mehr als vierzigjährigen Lethargie rissen, alle privaten Belange vorübergehend in den Hintergrund. Ein Militärputsch beendete die Diktatur der Salazar-Nachfolger und setzte dem Estado Novo ein ebenso schnelles wie unblutiges Ende. Die Soldaten wurden auf den Straßen vom Volk als Befreier gefeiert. Die Menschen waren so ausgelassen, dass sie den Militärs rote Nelken in die Gewehrläufe steckten – die »Nelkenrevolution« einte alle sozialen Schichten, Alte und Junge, Männer und Frauen, Intellektuelle und Arbeiter.
    Einzig diejenigen, die unter dem alten Regime als die Stützen der Gesellschaft gegolten hatten, sahen keinen Grund zum Jubeln. Hohe Funktionäre mussten sich ebenso ins Ausland absetzen wie zahlreiche wohlhabende Leute. Grundbesitzer, Politiker, Kleriker – jeder, der von dem alten System profitiert hatte, fürchtete plötzlich um seine Macht oder sein Vermögen und flüchtete mit Sack und Pack.
     
    Paulo da Costa war einer der Ersten. Er hätte es sowieso nicht länger in Portugal ausgehalten, nachdem die Presse sogar ihm, dem Bruder von Laura Lisboa, aufgelauert und ihn zu frenetischen Kommentaren über seine Halbschwester genötigt hatte. Wie Laura all die Jahre selbst ihn hatte überlisten können, stellte ihn vor ein Rätsel – und verlangte ihm einen gewissen Respekt ab. Nicht unbedingt der Hauptgrund für Paulos überstürzte Abreise, aber ein weiterer Anlass, seinem Land und seinen Verwandten den Rücken zu kehren, war der Umstand, dass die Verlobte seines Neffen, Marisa, die Familienzusammenführung zu einem Happy End gebracht hatte, wie es einer Telenovela würdig gewesen wäre. Nur ihm selber und seiner Familie war in dieser Geschichte die Schurkenrolle zugedacht. Aber gut, in England würde er von den widerwärtigen Details weitgehend verschont bleiben.
     
    Rui da Costa, nunmehr vierundachtzigjährig, betrat nach Jahren erstmals wieder portugiesischen Boden. Er würde Urgroßvater werden, unvorstellbar! Noch mehr jedoch freute er sich über die Anerkennung, die Laura endlich zuteilwurde. Warum nur hatte sie all die Jahre nichts gesagt? Wen
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