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So still die Toten

So still die Toten

Titel: So still die Toten
Autoren: Mary Burton
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waren oder nicht. Er hatte sich nie vorstellen können, dass Louise irgendjemanden mehr liebte als sich selbst und ihre schaurigen Bedürfnisse.
    »Hilf Kier und Garrison, ihn zu finden. Wir müssen ihn retten. Wo könnte er sein? Wo könnte er sich verstecken?«
    Mehrere Sekunden lang blieb Louise stumm. Sie bewegte den Oberkörper leicht hin und her und kaute auf ihrer Lippe herum. Sekunden verstrichen. Offenbar war sie in eine andere Welt abgedriftet.
    »Louise. Sag es mir. Wo ist Micah?«, fragte Eva.
    Louises Blick wurde wieder klar. »Kier ist also da, und Garrison auch?«
    »Ja.«
    »Sie werden ihm nicht wehtun«, sagte sie zu den Detectives.
    »Nein«, antwortete Malcolm mit fester Stimme. Er wusste, er würde alles tun, um Angie zu retten.
    »Es gibt da ein Haus in Alexandria. Am Fluss. Sein Vater hat es vor vielen Jahren gekauft.«
    »Er wohnt am Fluss. Meinst du das Haus?«, fragte Eva.
    Louise nickte. »Ja.«
    »Wir haben einen Wagen dorthin geschickt«, sagte Malcolm. »Niemand hat ihn gesehen.«
    Louise lächelte ein wenig hochmütig. »Sein Vater hatte ein halbes Dutzend Möglichkeiten, das Haus zu betreten, ohne dass ihn jemand sah. Im Keller gibt es Räume, die sein Vater gebaut hat. Meine beiden Jungs haben sie geliebt.«
    Malcolm richtete sich auf und bereitete sich innerlich darauf vor, alle Polizeikräfte der Stadt auf das Haus anzusetzen.
    Eva berührte den Bildschirm, als sähe sie für einen Augenblick die Frau, die sie einmal als ihre zweite Mutter betrachtet hatte. »Danke.«
    In Louises Augen blitzte so etwas wie Zärtlichkeit auf. »Ich muss dir etwas über Micah erzählen. Ein Geheimnis, das außer mir niemand kennt.«
    Als Angie eine knarrende Tür hörte, wusste sie nicht, wie viel Zeit vergangen war. Nachdem Micah sie allein gelassen hatte, hätte sie gern den Raum nach einer Fluchtmöglichkeit abgesucht, aber sie konnte kaum stehen, von gehen ganz zu schweigen. Sie hatte sich noch einige Male erbrochen, dann hatte sie sich auf die Seite gedreht und war in einen unruhigen Schlaf gefallen.
    Jetzt hatte ihr Magen sich zum Glück beruhigt, und sie konnte klar denken. Sie fühlte sich immer noch zittrig, es gelang ihr jedoch, sich aufzusetzen, ohne dass ihr schwindlig wurde. Langsam stand sie auf und stützte sich dabei mit einer Hand an der Betonwand ab.
    Der Raum war nicht so groß, wie sie zunächst gedacht hatte. Unter dem Stahltisch in der Mitte befand sich ein Abfluss, direkt darüber hing eine Deckenlampe. An Kopf- und Fußende des Tisches waren Ledergurte befestigt.
    In dem Bottich schwappte es leise. Das seltsam beruhigende Geräusch zog sie an. Schwankend näherte sie sich und starrte auf das trübe, schmierige Wasser, das faulig roch. Sie hielt sich die Nase zu und schaute genauer hin. In der sich leicht bewegenden Flüssigkeit sah sie etwas treiben. Die Strömung erfasste das Ding und brachte es für einen kurzen Moment an die Oberfläche. Es war ein Fuß.
    Angie taumelte zurück. Die Knochen im Wasser. Die Käfer in der Kiste. Die Polizei hatte drei Leichen gefunden, von denen das Fleisch abgelöst worden war. »Mein Gott, Dad, wie konntest du nur bei so etwas mitmachen?«
    Die Tür ging auf, und sie fuhr herum. Micah Cross war zurückgekehrt. Jetzt, da ihr Kopf wieder klar war, sah sie, dass seine gesamte Ausstrahlung sich verändert hatte. An die Stelle der Sanftmut war ungeheure Energie getreten, wie die eines Löwen, der auf die Jagd ging.
    Ihr fiel ein, dass er angekündigt hatte, bei seiner Rückkehr Spielsachen mitzubringen. Sie wappnete sich und wich zurück.
    Sein Blick bohrte sich in ihren. Er lächelte. »Du siehst den Unterschied, oder?«
    »Sie haben sich verändert.«
    »Nicht verändert. Ich habe mein wahres Ich wiedergefunden.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Seine gepflegten Finger griffen nach der Knopfleiste seines Hemdes. Langsam öffnete er einen Knopf nach dem anderen.
    »Was tun Sie da?«
    Er lachte. »Bilde dir nur nichts ein. Ich habe kein sexuelles Interesse an dir.«
    »Vorhin haben Sie etwas davon gesagt, dass Sie Eva die Familie nehmen wollen.«
    »Das ist das eine. Aber ich habe auch das Bedürfnis, dir die ganze Wahrheit zu erzählen. Ich kann nie jemandem die Wahrheit sagen, und ich muss es endlich einmal laut aussprechen.«
    »Was denn?«
    Er zog das Hemd aus, und zum Vorschein kam dunkelrote, vernarbte Haut an Brust und Rücken. Beinahe sein ganzer Oberkörper war entstellt.
    »Ich habe monatelang im Bett gelegen. Die Schmerzen waren so furchtbar,
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