Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So hell wie der Mond

So hell wie der Mond

Titel: So hell wie der Mond
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
gesprungen war, statt sich einem Leben ohne ihre große Liebe zu stellen, hatte sie alle drei schon immer fasziniert. Die schöne Spanierin hatte Felipe geliebt, ihn heimlich getroffen, war mit ihm bei Wind und Wetter über die Klippen spaziert. Dann war er in den Krieg gegen die Amerikaner gezogen, um sich ihrer würdig zu erweisen, hatte versprochen, er käme zurück, um sie zu heiraten und für alle Zeit mit ihr zusammen zu sein. Aber er war nie zurückgekehrt. Als Seraphina die Nachricht erhielt, dass er im Kampf gefallen war, hatte sie abermals die Klippen aufgesucht, am Rand ihrer Welt angekommen, und stürzte sich, von Trauer überwältigt, in die Tiefe.
    Die Romantik, das Geheimnisvolle der Geschichte, übte schon immer einen Zaubör auf die drei Frauen aus. Und natürlich hatte die Vorstellung, eines Tages die Mitgift zu finden, die Seraphina versteckte, ehe sie von den Klippen sprang, den Reiz des Ganzen noch erhöht.
    Fast an jedem Sonntag trieb sich Kate mit einem Metalldetektor oder einem Spaten bewaffnet auf den Klippen herum.
    Seit Monaten, seit dem Morgen, an dem Margo an einem Wendepunkt in ihrem Leben eine einzelne Golddublone in die Hände gefallen war, hatten die Freundinnen ihre gemeinsame Suche aus Kindertagen fortgesetzt.
    Oder vielleicht trafen sie sich weniger in der Hoffnung auf eine Truhe voller Gold als vielmehr aus dem schlichten Vergnügen am Zusammensein.
    Es war beinahe Mai, und nach den nervenaufreibenden Wochen bis zum fünfzehnten April, dem genannten Abgabetermin, genoß Kate es besonders, endlich einmal wieder draußen in der Sonne zu sein. Genau das brauchte sie. Es half ebenso wie die Arbeit, die Akte zu vergessen, die in ihrer Wohnung verborgen war. Die Akte über ihren Vater, die sie sorgsam zusammengetragen hatte.
    Es half, die Sorgen zu vergessen, den Schmerz und den Streß – den ihr die Überlegung verursachte, ob es richtig gewesen war, einen Detektiv mit Nachforschungen über einen einundzwanzig Jahre zurückliegenden Fall zu beauftragen.
    Ihre Muskeln protestierten und sie schwitzte, als sie den Metalldetektor über ein paar Büsche schwang.
    Sie dächte nicht darüber nach, versprach sie sich. Nicht heute, nicht an diesem Ort. Erst dann dächte sie wieder darüber nach, wenn sie den Bericht des Detektivs bekam. Dieser Tag gehörte ihr und der Familie.
    Die angenehme Brise zerzauste ihr das kurze, schwarze Haar. Ihre Haut war leicht gebräunt, das Erbe des italienischen Zweigs der Familie ihrer Mutter, auch wenn die darunterliegende, von Margo als »Schreibstubenblässe« bezeichnete Kreidigkeit nicht zu übersehen war. Ein paar Tage in der Sonne, dachte sie, und schon wäre sie wieder fit.
    Während der letzten Wochen hatte sie aufgrund der Hektik im Büro – und ja, wegen des Schocks der Entdeckung über das Sündenregister ihres Vaters – ein paar Pfund abgenommen, aber die legte sie sicher wieder zu. Bisher hatte sie noch stets die Hoffnung gehegt, dass sie eines Tages ein wenig Fleisch auf die dürren Knochen bekam.
    Sie besaß weder Margos Größe oder femininen Körperbau noch Lauras anmutige Zerbrechlichkeit. Sie war, hatte Kate schon immer gedacht, durchschnittlich hübsch, zu dünn, mit einem kantigen Gesicht, das zu ihrem störrischen Körper paßte.
    Früher hätte sie gern Grübchen, ein paar charmante Sommersprossen oder dunkelgrüne statt so allgemein braune Augen gehabt. Aber bereits damals war sie zu praktisch gewesen, um lange über etwas nachzudenken, was sich ohnehin nicht ändern ließ.
    Sie war intelligent und besaß einen ausgeprägten Sinn für Zahlen – alles, was sie brauchte, um erfolgreich zu sein.
    Nun griff sie nach dem Krug Limonade, den Ann Sullivan ihnen mitgegeben hatte, nahm einen langen Schluck und sah stirnrunzelnd zu Margo hinüber.
    »Willst du eigentlich den ganzen Nachmittag bloß herumsitzen, während wir anderen schuften wie die Maulesel?«
    Den wohlgeformten Körper in die Freizeitkleidung von roten Leggins und einem passenden Hemd gehüllt, streckte sich Margo Sullivan Templeton genüßlich auf ihrem Felsen aus. »Wir sind heute ein bisschen müde«, sagte sie und tätschelte sich den Bauch.
    Kate stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Seit du herausgefunden hast, dass du schwanger bist, findest du ständig eine Entschuldigung, um zu faulenzen.«
    Margo warf ihre langen blonden Haare über die Schulter zurück und sah die Freundin lächelnd an. »Josh möchte nicht, dass ich mich überanstrenge.«
    »Da sehe ich auch
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher