Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So finster die Nacht

So finster die Nacht

Titel: So finster die Nacht
Autoren: John Ajvide Lindqvist
Vom Netzwerk:
der Apotheke eingesteckt hatte. Größtenteils etwas, das alte Schachteln hatten.
    Und ich.
    Man könne Hilfsmittel kaufen, stand in der Broschüre, aber er hatte nicht die Absicht, sein Taschengeld dafür zu vergeuden, sich in der Apotheke zu schämen. Und Mama würde er ganz bestimmt nichts erzählen; sie würde ihn sonst derart bemitleiden, dass er krank werden würde.
    Er hatte seinen Pinkelball, und solange es nicht schlimmer wurde, funktionierte das ganz gut.
    Schritte vor der Tür, Stimmen. Den Ball in die Hand gepresst, schob er sich in eine der Kabinen und schloss hinter sich ab, als die Tür geöffnet wurde. Lautlos stieg er auf den Toilettensitz und kauerte sich so zusammen, dass seine Füße nicht zu sehen sein würden, falls jemand unter der Tür hindurchsah. Er versuchte, nicht zu atmen.
    »Schweiiinchen?«
    Jonny, natürlich.
    »Schweinchen, bist du hier?«
    Und Micke. Die beiden Übelsten. Nein. Tomas war gemeiner, aber er machte nur selten bei etwas mit, das mit Schlägen und Schrammen zu tun hatte. Dafür war er zu smart. Tomas stand vermutlich draußen und schleimte sich bei dem Polizisten ein. Wenn sie den Pinkelball entdeckten, würde Tomas dies weidlich ausnutzen, um ihn dauerhaft zu beleidigen und zu demütigen. Jonny und Micke würden ihm nur ein paar knallen und es dabei belassen. In gewissem Sinne hatte er also Glück …
    »Schweinchen? Wir wissen, dass du hier bist.«
    Sie versuchten die Tür zu öffnen. Rüttelten an der Tür. Schlugen gegen die Tür. Oskar schlang die Arme um die Knie und biss die Zähne zusammen, um nicht loszuschreien.
    Geht weg! Lasst mich in Ruhe! Warum könnt ihr mich nicht einfach in Ruhe lassen?
    Jetzt sprach Jonny mit samtener Stimme.
    »Kleines Schweinchen, wenn du nicht bald herauskommst, müssen wir dich nach der Schule einkassieren. Willst du das?«
    Einen Moment lang wurde es still, und Oskar atmete vorsichtig aus.
    Dann attackierten sie die Tür mit Tritten und Schlägen. Es donnerte in der Toilette, und der Türhaken wurde nach innen gebogen. Er sollte aufmachen, zu ihnen hinausgehen, bevor sie wütend wurden, aber er konnte es einfach nicht.
    »Schweiiinchen?«
    Er hatte die Hand hochgereckt und behauptet, dass es ihn gab, dass er etwas konnte. Das war verboten. Zumindest ihm. Sie fanden alle möglichen Gründe dafür, dass er gequält werden musste; er war zu dick, zu hässlich, zu eklig. Doch das eigentliche Problem bestand im Grunde darin, dass er überhaupt existierte, und jede Erinnerung an seine Existenz war ein Verbrechen.
    Vermutlich würden sie ihn nur »taufen«. Seinen Kopf in die Toilette tauchen und abziehen. Unabhängig davon, was sie sich einfallen ließen, war er stets unglaublich erleichtert, wenn es vorbei war. Warum konnte er also nicht den Türhaken anheben, der ohnehin jeden Moment aufspringen würde, und sie ihren Spaß haben lassen?
    Er starrte auf den Türhaken, der mit einem Knacken aus seiner Gabel gebogen wurde, auf die Tür, die sich schlagartig öffnete und gegen die Kabinenwand knallte, auf Micke Siskovs triumphierend lächelndes Gesicht und wusste warum.
    Weil das Spiel so nicht lief.
    Er hatte den Türhaken nicht angehoben, sie waren nicht innerhalb von drei Sekunden über die Kabinenwand zu ihm hineingeklettert, weil es gegen die Spielregeln gewesen wäre.
    Der Rausch der Jäger gebührte ihnen, der Schrecken des Opfers ihm. Hatten sie ihn gestellt, war der Spaß vorbei, und die eigentliche Bestrafung eher eine Pflicht, die erfüllt werden musste. Gab er zu früh auf, lief er Gefahr, dass sie ihre Energie nicht für die Jagd, sondern für seine Bestrafung einsetzen würden. Das wäre schlimmer.
    Jonny Forsberg schob den Kopf vor.
    »Hör mal, wenn du scheißen willst, musst du aber den Deckel aufmachen. Jetzt schrei gefälligst wie ein Schwein.«
    Oskar schrie wie ein Schwein. Das gehörte dazu. Schrie er wie ein Schwein, bestraften sie ihn manchmal nicht. Diesmal strengte er sich ganz besonders an, weil er fürchtete, sie könnten ihn sonst während der Bestrafung zwingen, die Hand zu öffnen, und bei der Gelegenheit sein ekliges Geheimnis entdecken.
    Er rümpfte die Nase zu einer Schweineschnauze und grunzte und schrie, grunzte und schrie. Jonny und Micke lachten.
    »Oh Scheiße, Schweinchen. Weiter.«
    Oskar machte weiter. Kniff die Augen zusammen und machte weiter. Ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass sich die Fingernägel in seine Handteller bohrten, und machte weiter. Er grunzte und schrie, bis er einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher