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Sklavin des Höhlenmenschen

Sklavin des Höhlenmenschen

Titel: Sklavin des Höhlenmenschen
Autoren: Lena Morell
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direkt aus dem Holz geholt. Aber er schlug lediglich Steine aneinander. Rief er dadurch nicht den Zorn des Gottes auf sich herab? Oder war er der Gott selbst?
    Nein, Siri schüttelte den Kopf. Kein Gott würde so aussehen wie er. Sie betrachtete ihn ängstlich, tastete mit den Blicken seinen Körper ab, das fremde und doch auf gewisse Art vertraute Profil, die spitze Nase, die noch weiter hervorstand als ihre, und an der die Kinder aus Ramas Sippe sie oft gepackt hatten. Sie waren nicht böse gewesen, diese Kinder, sie hatten sie sogar gemocht und saßen oft bei ihr, hatten spielerisch an ihrem Haar gezogen, gelacht, sich an sie geschmiegt, wenn die Mütter keine Zeit hatten oder neue Kinder säugten. Aber es waren immer weniger Kinder geworden. Anfangs, als Siri zur Sippe gekommen war, hatte sie viele herumlaufen sehen, aber die meisten waren gestorben, lange bevor sie sich das erste Mal paarten. Und dann waren nicht mehr so viele nachgekommen. Schlechte Zeiten waren es gewesen, zu große Kälte. Die Gottheiten hatten in der Periode der Hitze zu wenig Wasser geschickt, dann wieder zu viel. Die Frauen waren von Hunger und Krankheit schwach gewesen und ihre Kinder nicht lebensfähig.
    Siri beobachtete weiterhin misstrauisch den Fremden. Er legte Hölzer in die Flammen, wie Ramas Frau es sie gelehrt hatte. Hell loderte das Feuer, verschloss den Eingang zur Höhle. Siri bebte vor Angst. Sie fürchtete nicht das Feuer – aber der Mann, der es erweckt hatte, war vielleicht gefährlich.
    Sie zuckte zusammen, als er plötzlich auf das erlegte Tier deutete. Seine Stimme klang ungeduldig. Sie beeilte sich, das Tier mit einem scharfen Stein, den er ihr gab, zu häuten und auf einen Stock zu spießen. Sie hielt es auf seinen Befehl hin ins Feuer, sah, wie die Flammen es umzüngelten, roch das brennende Blut.
    Sie schnupperte hungrig und wusste doch, dass das Tier zu klein war, und sie die Nacht ohne Nahrung verbringen musste. Das war so üblich. Die Männer bekamen alles und erst, wenn sie satt waren, durften die Frauen essen. Manchmal hatte es nur für die Männer und Ramas Weibchen gereicht, die anderen Frauen und die Kinder hatten gehungert.
    Als der verlockende Duft des Fleisches stärker wurde, nahm ihr Gandar den Stock aus der Hand. Er ließ das Stück ein wenig auskühlen, setzte sich mit unterschlagenen Beinen hin und begann das Fleisch mit dem scharfen Stein zu zerteilen. Siri hatte sich ganz an die Wand der Höhle zurückgezogen und vermied es, hinzusehen. Das würde den Schmerz in ihren Eingeweiden nur unerträglich machen. Sie griff nach einem feuchten Stück Holz, hielt es sich vor die Nase und atmete tief den fauligen Geruch ein. Es nahm den Hunger, sie hatte es schon früher probiert, da sie meist die Allerletzte gewesen war, die Nahrung erhalten hatte. Wäre sie beim Rudel gewesen, hätte sie heimlich Wurzeln suchen können, aber diese Gelegenheit hatte sie bei Gandar nicht gehabt. Er hatte sie keinen Moment aus den Augen gelassen.
    Sie hatte die Augen geschlossen, als sie spürte, wie Gandar sie anstieß. Der Geruch des Fleisches wurde stärker, und als sie die Augen aufriss, fand sie direkt unter ihrer Nase ein Stück. Ungläubig sah sie auf Gandar, aber der hielt es ihr auffordernd hin.
    Siri zögerte nicht lange, sondern nahm es aus seiner Hand und schlug tief die Zähne darin ein. Er lachte, als er ihr zusah, wie sie ganze Fetzen abriss, hineinstopfte und gierig kaute. Sie aßen in schöner Eintracht, dann holte er noch Holz, um das Feuer für die Nacht am Leben zu erhalten. Von der Ferne hörten sie die Stimmen der Tiere, die entweder den Schutz der Dunkelheit nutzten, um ungefährdet auf Futtersuche gehen zu können, oder die nur des Nachts jagten, wenn die meisten anderen schliefen und leichte Beute waren.
    Als sie alles aufgegessen hatten, und Siri die kleinen Knochen brach, um das Mark herauszusaugen, stand Gandar plötzlich auf und kam zu ihr.
    Sie kauerte sich erschreckt zusammen. Draußen hatte sich der Feuergott schlafen gelegt, aber hier drinnen war es durch das Feuer hell. Gandar hockte sich neben sie, doch Siri wehrte sich, als er sie berühren wollte. Sie hatte Angst vor ihm. Ein Mann, der mit kalten Steinen Feuer schuf, konnte auch sie verbrennen. Es war gefährlich, sich berühren zu lassen. Aber es war ebenso gefährlich, sich ihm zu widersetzen.
    Gandar griff nach ihrem Haar, rieb es zwischen den Fingern, betrachtete es, war aber verärgert, als Siri den Kopf wegdrehte. Er fasste nach
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