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Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)

Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)

Titel: Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)
Autoren: Laura Jarratt
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er dich belästigt hat«, murmelte sie, als sie so nah herangekommen war, dass ich sie verstehen konnte. Ich öffnete den Mund, um »Schon okay, kein Problem« zu sagen, aber die Worte blieben mir im Hals stecken, als ich ihr Gesicht hinter dem Vorhang aus Haaren sah.
    Himmel, ihr Gesicht …
    Die rechte Seite war von einer breiten Narbe entstellt, die über ihre Wange und ihren Hals verlief und dann im Ausschnitt ihres T-Shirts verschwand. Scheiße, das sah ziemlich heftig aus. Es war auf jeden Fall keine alte Narbe – sie leuchtete rot. Aber so ganz frisch konnte sie auch nicht sein, weil alles drum herum schon ganz gut verheilt war. Die Haut war an der Stelle nicht so weich wie gewöhnlich, sondern wellig und voller Falten, vor allem an ihrem Hals.
    Was zum Teufel war bloß mit ihr passiert?
    Vom Rest ihres Gesichts sah ich zunächst nichts. Ich konnte nur auf die Narbe starren, meine Augen wurden davon angezogen wie Schaulustige von einem Autounfall.
    Sie beugte sich vor und riss mir den Hund vom Schoß. Das löste meine Starre, und ich erhaschte einen Blick auf ihre Augen, in denen Tränen standen, bevor sie sich mit dem Hund unterm Arm wegdrehte und davonlief.
    Ich kam auf die Beine. »Hey, ist ja nichts passiert. Er hat doch nur gespielt …«
    Sie rannte förmlich den Pfad entlang, weg von mir.
    Kein Wunder, dass sie nicht kommen wollte, um den Hund zu holen. Wahrscheinlich passierte ihr das dauernd – dass Idioten sie mit offenem Mund anglotzten, als ob Frankensteins Monster vor ihnen stünde.
    Du blöder, blöder Vollidiot! Warum musstest du sie so anstarren?
    Sollte ich ihr hinterherlaufen und mich entschuldigen? Bloß, was wollte ich sagen? »Hey, tut mir leid, dass ich dein Gesicht angestarrt habe« … wohl kaum.
    Sie verschwand zwischen den Bäumen.
    Ich fühlte mich mies. Sie war bestimmt nicht älter als vierzehn und ich hatte sie zum Weinen gebracht. Ich sollte mich schämen.
    Und ich schämte mich.
    Ich fischte den Eimer aus dem Kanal. Sie war weg, und es gab keine Möglichkeit, es wiedergutzumachen, selbst wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, wie.
    »Ryan, ich hab Tee für dich gekocht. Mach mal eine Pause«, rief Mum von drinnen.
    Ich ging rein und Mum reichte mir einen Emaillebecher. Ich schaute hinein. »Welche Sorte ist das denn?«
    »Brennnessel.« Sie strahlte mich an. »Sehr reinigend.«
    Würg. Ekelhaft. Erinnerte mich an grüne Pisse. Nicht dass ich jemals grüne Pisse probiert hätte, aber bestimmt schmeckt sie so wie Brennnesseltee.
    »Bist du fertig mit den Fenstern?«
    »Nein. Ich hab den Eimer umgestoßen. Ich muss gleich wieder raus und weiterputzen.«
    »Zuerst trinkst du deinen Tee und sagst mir, was du von meinen neuesten Entwürfen hältst.«
    Die Sachen, aus denen Mum ihren Schmuck herstellte, waren auf dem Tisch verstreut: Steine, Perlen, silberne Drähte, Armreife und Verschlüsse. Lederbänder.
    Ich setzte mich auf ein Bodenkissen. Keine Chance, den Tee in den Kanal zu kippen. Mum hielt einen silbernen Armreif mit einem drachenförmigen Jadestein hoch.
    »Er ist toll, Mum. Du solltest mehr davon machen. Die verkaufen sich bestimmt gut.«
    »Das freut mich. Hat ewig gedauert, den so hinzukriegen. War sehr schwierig, vor allem der Schwanz. Was ist mit deinem Gesicht?«
    »Nichts. Wieso?«
    »Weil du andauernd daran reibst.« Sie legte ihre Hand auf ihre rechte Wange. »Hier.«
    Ich wurde rot. »Wirklich?«
    Konzentriert schob sie ihre Zunge zwischen die Zähne, während sie rote Perlen auf ein Lederband fädelte. »Mmmh.« Ihr Haar war oben auf dem Kopf zu einem Haufen aufgetürmt. Sie sah aus wie eine Ananas.
    »Mum, wenn man sich verletzt hat, zum Beispiel bei einem Unfall, dann kann man die Narben doch mit einer plastischen Operation wegmachen lassen, oder?«
    »Ja, aber ich glaube nicht, dass die vernarbte Haut dadurch völlig verschwindet. Manchmal vielleicht, aber nicht immer.«
    »Wodurch kriegt man eigentlich so richtig schlimme Narben?«
    »Keine Ahnung. Ich habe mal ein Kind gesehen, das ganz schrecklich vernarbt war, weil es eine heiße Pfanne vom Herd gezogen und sich daran verbrannt hatte. Warum fragst du?«
    »Hab nur einfach so darüber nachgedacht. Ich geh dann jetzt und putze die Fenster fertig.«
    Ich füllte den Eimer im Spülbecken und schaffte es gleichzeitig, den Brennnesseltee auszukippen.
    Während ich den Rest der zermatschten Insekten von der Scheibe schrubbte, ging mir das Bild von der narbigen Haut im Gesicht des Mädchens nicht mehr aus dem Kopf.
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