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Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute

Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute

Titel: Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute
Autoren: Stefan Volk
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Menschen in der Sahel-Zone auf. Wenig später gründete er die Hilfsorganisation «Menschen für Menschen». Seitdem ist der Name Karlheinz Böhm eng verbunden mit seinem Engagement für die Menschen in Äthiopien. Wohl ebenso eng wie einst mit seiner Rolle als österreichischer Kaiser.
     
    1 Zitiert nach: www.filmportal.de/df/77/Uebersicht,,,,,,,,95905B16085B4B808E9D38DDE74C1B4B,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,,.html (15.08.2010).
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    Das, was aber sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland einen wahren Sturm der Entrüstung unter den Kritikern hervorrief, war wohl weniger der Bildinhalt des Films als sein Blickwinkel. Indem er den Zuschauerblick durch Marks tödliche Kamera hindurch dirigiert, nötigt P EEPING T OM seinem Publikum eine Täterperspektive auf. Die Grenzen zwischen Film-im-Film und Film, zwischen dem von Mark Lewis inszenierten «Snuff-Movie» und P EEPING T OM verwischen. Indirekt wird das Kinopublikum dadurch mit Mark auf eine Ebene gestellt. Und der Zuschauer wird als der Voyeur entlarvt, der er im Kino immer (auch) ist. Für zusätzliche Empörung sorgte in diesem Zusammenhang, dass es Regisseur Michael Powell selbst war, der in den Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus Marks Kindheit als Marks Vater auftrat, und gleichzeitig Powells Sohn Columba in die Rolle des jungen Mark schlüpfte.
    Dass sich die Kritiker neben Regisseur Powell vor allem über Karlheinz Böhm ärgerten, lag außer an der Enttäuschung darüber, dass der adrette Darsteller, der als Märchenkaiser Franz Josef in S ISSI noch das bieder-bürgerliche Tugendideal sozialer Wohlanständigkeit verkörpert hatte, nun plötzlich einen Serienmörder mimte, auch daran, dass Böhm den Mörder nicht etwa als Monster darstellte. Anstatt mit seinem bisherigen Mustermann-Image zu brechen, übertrug er es auf die Mörderrolle und demontierte es auf subversive Weise, indem er die seelischen Abgründe offenbarte, die sich hinter der bürgerlichen Fassade auftaten. Ein Affront, der vielen unverzeihlich erschien, zumal sich der Film mit Bezug auf Marks Kindheit eher um Verständnis als um eine moralische Verurteilung des Mörders bemühte.
    Nachdem P EEPING T OM bereits in Großbritannien nur unter Schnittauflagen erschienen war, kam er 1961 mit weiteren Kürzungen und einer verfälschenden Synchronisation in die deutschen Kinos. Die Kritiken fielen sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland derart verheerend aus, dass der Film schon nach kurzer Zeit von der Bildfläche verschwand. Sowohl für Powell als auch Böhm, der sich von dem Film einenerfolgreichen Imagewandel und den Start in eine internationale Laufbahn erhofft hatte, bedeutete P EEPING T OM einen Karriereknick, von dem sich zumindest Powells Karriere kaum noch erholte.
    Der Film selbst fand zwanzig Jahre nach seiner Uraufführung in England noch eine späte Anerkennung, als er mit Hilfe des US-Regisseurs Martin Scorsese (T AXI D RIVER ) 1979 auf dem New Yorker Filmfestival wiederaufgeführt wurde und in der Reihe «Martin Scorsese presents» neu ins Kino kam. Diesmal wurde P EEPING T OM von den meisten Kritikern gelobt oder gar als ein Meisterwerk der Filmgeschichte gefeiert. Was, wie Böhm später mutmaßte, wohl daran lag, dass der Film seiner Zeit voraus war, und einmal mehr mustergültig veranschaulicht, dass ein Skandal nie einem filmischen Werk innewohnt, sondern sich stets an der Reibefläche zwischen Werk und Gesellschaft entzündet.
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    Michael Powell
    (30.9.1905–19.2.1990)
    Als Darsteller und Regieassistent hatte der einstige Bankangestellte Powell unter anderem für Alfred Hitchcock gearbeitet, ehe er 1931 sein Debüt als Regisseur gab. Jahrelang drehte er billig produzierte Massenware («Quota Quickies»), bis ihn Produzent Alexander Korda mit dem Drehbuchautor und Produzenten Emeric Pressburger bekannt machte. 1942 gründeten sie gemeinsam die Produktionsgesellschaft «The Archers». Mit Filmen wie D IE SCHWARZE N ARZISSE , D IE ROTEN S CHUHE oder der Operetten-Verfilmung H OFFMANNS E RZÄHLUNGEN bildeten Powell und Pressburger in den 40er und 50er Jahren eines der erfolgreichsten Gespanne der Filmgeschichte. Opulente Ausstattung und innovative Farbgebung wurden zu Markenzeichen ihrer Zusammenarbeit, die sie 1957 nach einigen Misserfolgen schließlich beendeten. Zwei Jahre später, nach dem Skandal um P EEPING T OM, kollabierte Powells Karriere; ein Schlag, von dem sie sich nicht mehr erholte. Powell: «Danach war es aus für mich bei einer Generation von Verleihern und
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