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Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute

Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute

Titel: Skandalfilme - cineastische Aufreger gestern und heute
Autoren: Stefan Volk
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(1951) prägte D IE Z EIT MIT M ONIKA im Ausland das stereotype Bild von der lasziven, lockeren und sexuell aktiven Schwedin. Schweden erhielt den Ruf eines sexuell freizügigen Landes. «Schwedenfilme» wurden in Deutschland zum Inbegriff eines erotisch-gesellschaftskritischen Kinos. Filmkritiker Gunter Groll brachte den Schwedenfilm auf die Formel: «Nacktbaden plus Sozialkritik» 3 , und der französische Filmwissenschaftler Georges Sadoul resümierte 1955: «Stockholm produziert gepflegte, gut photographierte Filme mit predigenden Pastoren und nackten Frauen.» 4
    Diese nackten Frauen sorgten auch in den USA für Aufregung. Konservative Sittlichkeitsvereine liefen Sturm gegen D IE Z EIT MIT M ONIKA mit seinen «unsittlichen Szenen». Doch während einerseits gerichtliche Klagen wegen angeblicher Sittlichkeitsverstöße auf den Weg gebracht wurden, sicherte sich gleichzeitig der amerikanische Filmproduzent Howard W. «Kroger» Babb (Hallmark Productions) über einige Umwege die US-Rechte an S UMMER WITH M ONIKA (er hatte die Rechte von europäischen Geschäftsleuten erworben, die selbst nicht in Besitz der Verkaufsrechte waren, sich später aber mit der schwedischen Produktionsfirma geeinigt). Er kürzte den Film um über ein Drittel auf 62 Minuten, wodurch die erotischen Aspekte betont werden sollten, sodass der Film im Stile eines Exploitation Films als Softsexstreifen vermarktet werden konnte. Ein neuer Titel M ONIKA, THE STORY OF A BAD GIRL , eine neue Filmmusik (von Jazzmusiker Les Baxter) und eine amerikanische Synchronisation sollten dem Film die gewünschte Autokinotauglichkeit verleihen. Werbepostkarten, auf denen die nackte Harriet Andersson zu sehen war, ließen keinen Zweifel an der neuen Zielrichtung des Films. Als Ergebnis des Skandals und heuchlerischer Doppelmoral war D IE Z EIT MIT M ONIKA von einem anspruchsvollen Kinokunstwerk zu einem seichten Schmuddelfilmchen verstümmelt worden.
    Wegen des Verdachts auf Pornografie beschlagnahmte die Polizei den Film bei seiner Premiere im «Orpheum» in Los Angeles und nahm Kinobetreiber Morton Lippe vorübergehend fest. Angeblich waren dem Film Szenen von auf Long Island badenden Nudisten hinzugefügt worden. In den nächsten Tagen kam es im Großraum Los Angeles zu weiteren Beschlagnahmungen. Jack Thomas, der verantwortliche Filmverleiher, wurde zu einer Geldstrafe von 750 Dollar und 90 Tagen Haft verurteilt. Der zuständige Richter Byron J. Walter zeigte sich auch in seiner Beurteilung des Films wenig gnädig: «Monika spricht mögliche Sexmörder an […]. Die Menschen wundern sich, warum es immer mehr Verbrechen gibt. Das ist einer der Gründe dafür.» 5 Ein Jahr später wurde Thomas allerdings von einem Berufungsgericht freigesprochen. 1960, nachdem Bergman von Jean-Luc Godard mit van Gogh verglichen worden war, kam D IE Z EIT MIT M ONIKA in den USA in der schwedischen Originalfassung erneut ins Kino, sorgte jedoch abermals nicht nur für cineastische Begeisterung, sondern ebenso für moralische Entrüstung. Dennoch – oder gerade deshalb – ist D IE Z EIT MIT M ONIKA bis heute der in den US-Kinos erfolgreichste Bergman-Film.
    Die Reaktionen
    «Etliche Zuschauer standen auf und verließen die Premierenvorführung […]. Vielleicht waren sie einfach nur gelangweilt. Denn, so unglaublich das klingen mag, Ingmar Bergman hat diesmal einen langweiligen Film gedreht, manchmal zögerlich, meistens schleppend und schlecht geschnitten.»
    Ellen Liliedahl «Lill», Dagens Nyheter, 1953
    «Wären die Melodien des Teufels nicht wenigstens munter, würde niemand nach ihnen tanzen.»
    Aus einer schwedischen Filmkritik
    «Einen Sommer lang – seit S IE TANZTE NUR EINEN S OMMER spielen lauter Schwedenfilme einen Sommer lang – nur einen Sommer lang also liebt diese Monika ihren Harry. Was sie außerdem tut, ist vorwiegend dreierlei: gähnen, kauen und sich kratzen.Kurzum, sie wird uns ziemlich lang, die Zeit mit dieser gähnenden Monika. Dabei ist es doch um die begabte Schauspielerin und die begabte Kamera eigentlich schade. Aber was gähnen sie auch so viel! (Gähnen steckt an).»
    Gunter Groll, Süddeutsche Zeitung, 1953
    «Der erotischste Film seit Gustav Machatýs E KSTASE .»
    Cahiers du cinéma, Nr. 36, 1954
    «Monika ist der originellste Film des originellsten Filmemachers. D IE Z EIT MIT M ONIKA ist für das heutige Kino das, was B IRTH OF A N ATION (D. W. Griffith, 1915) für das klassische Kino war.»
    Jean-Luc Godard, Arts, Nr. 680, 30. Juli
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