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Skandal um Lady Amelie

Skandal um Lady Amelie

Titel: Skandal um Lady Amelie
Autoren: Juliet Landon
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Amelies eiliger Rückzug wurde von ihrer jungen Beifahrerin, die mehr als enttäuscht war, herzhaft missbilligt. In ihren langen Wimpern hingen Tränen, als sie dem zurückbleibenden noblen Fahrer des Phaeton einen letzten langen Blick gönnte. Allerdings hielt sie ihre Fragen zurück, bis sie wieder die Paradise Road Nr. 18 erreicht hatten und im Morgensalon ganz unter sich waren, was bei Amelies rasender Fahrt nicht lange währte.
    Caterina war eine lebhafte, doch nicht unvernünftige junge Dame, selbst zu Zeiten wie diesen, wenn sie ihre Wünsche durchkreuzt sah, und so sehr bewunderte sie ihre Tante, dass sie deren Erklärungen widerspruchslos hinnahm. Wenn Tante Amelie sagte, die Herren würden sich nicht vergrault fühlen, dann musste sie eben warten und hoffen. Allerdings verstand sie nicht recht, warum die Tante die Gentlemen überhaupt abgewiesen hatte, wenn sie doch davon ausging, dass sie erneut eine Annäherung versuchen würden. Hoffte Tante Amelie etwa darauf?
    Der Rest des Tages ging dahin, indem Caterina zuerst ihre Gesangsstunde bei Signor Cantoni absolvierte, anschließend blätterte sie auf der Suche nach einigen hübschen Tageskleidern die letzten Exemplare des Ladies’ Magazine durch und begutachtete die Anpreisungen verschiedenster Schönheitsmittel. Als sie bei Fischbeinversteifungen angelangt war, protestierte Amelie: „Kind, du hast eine reizende Figur, du brauchst keine künstlichen Stützen.“ Und das war keine Schmeichelei, denn Caterina war außerordentlich hübsch und adrett, und Amelie äußerte ihre Überzeugung, dass die Nichte sich bald zu einer echten Schönheit entwickeln werde, wenn sie erst einmal ihr Schulmädchenbetragen ablegte und ihre noch ein wenig kindlichen Kleider gegen damenhaftere Garderobe ausgetauscht würde. Sie besaß natürlich gelocktes rotgoldenes Haar, genau richtig für eine Frisur im griechischen Stil, und Amelie begann auf der Stelle damit zu experimentieren, wobei sie prophezeite, dass Lord Seton bei ihrem nächsten Zusammentreffen sehr über diese Verwandlung staunen würde.
    Am nächsten Morgen kam die Schneiderin mit ihrer jungen Gehilfin ins Haus, um für die neuen Kleider Caterinas Maße zu nehmen. Da es wieder einmal heftig regnete, trafen die beiden Frauen nass und durchgefroren ein, und besonders die kleine Helferin zitterte vor Kälte. Eigentlich war es ihre Aufgabe, die zur Ansicht mitgebrachten Kleider vorzuführen, doch ihre dünnen, ausgezehrten Glieder stachen jämmerlich unter den zarten Stoffen heraus, sodass Amelie beschloss, sich des Mädchens bald anzunehmen, ehe der nasse Herbst das arme Geschöpf in ein frühes Grab schickte.
    Während sie heiter in Stoffbahnen aus Seide und Musselin kramten, kam der Hausknecht herein und meldete, dass Lord Elyot und Lord Seton bäten, vorgelassen zu werden.
    „Ach, bitte, bitte, Tante Amelie“, rief Caterina, „sag, dass wir daheim sind. Schick sie nicht weg.“
    Falls Amelie sich flüchtig fragte, wie weit Lord Elyots Untersuchungen gediehen sein mochten, so verbarg sie das gut, denn obwohl sie sich in Schwierigkeiten glaubte, hatte sie nicht das Herz, ihre Nichte schon wieder zu enttäuschen.
    „Führ die Herren in den Morgensalon“, wies sie Henry an, und an Caterina gewandt: „Lass dein Haar, wie es ist. Es steht dir sehr gut, und schließlich müssen sie uns nehmen, wie wir eben sind, wenn sie unangemeldet kommen, nicht wahr?“
    Sie selbst hielt sich nicht an den Rat, sondern zupfte ihre dunkle, mit violetten Bändern durchflochtene Haarpracht vor dem Ankleidespiegel rasch ein wenig zurecht. Als verheiratete Frau pflegte sie ein Häubchen zu tragen, doch seit dem Tod ihres Gemahls fühlte sie sich immer weniger geneigt, sich diesen konventionellen Vorschriften zu unterwerfen. Und eine winzige Stimme tief in ihrem Kopf stellte befriedigt fest, dass zumindest eine Person hier am Ort sich den bekannten Tatsachen zum Trotz nicht so leicht vertreiben ließ. In der Tat mochte eine Demonstration ihres auch ohne Richmonder Freunde sehr angenehmen Lebens gar nicht so schlecht sein. Eben jetzt schauten die Herren sich wohl interessiert in der in Weiß und Gold gehaltenen Halle mit dem Axminster-Teppich um, und es war zu erwarten, dass ihnen im Morgensalon die beiden Gemälde von Canaletto mit Ansichten von Venedig ebenfalls Achtung abringen würden.
    Kaum hatte Amelie mit ihrem Sinn dafür, sich in Szene zu setzen, an dem Piano aus feinstem Rosenholz Platz genommen, neben sich Caterina mit einem
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