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Sir Rogers himmlischer Kreuzzug

Sir Rogers himmlischer Kreuzzug

Titel: Sir Rogers himmlischer Kreuzzug
Autoren: Poul Anderson
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keiner von uns das wirklich glaubte. Ich hatte für mich entschieden, daß Branithar aus einem fernen Teil der Welt kam, vielleicht noch ferner als Cathay, und uns diese Lügen nur auftischte in der Hoffnung, uns so einzuschüchtern, daß wir ihn ziehen ließen. Sir Owain stimmte meiner Theorie bei.
    „Nichtsdestoweniger“, fügte der Ritter hinzu, „müssen wir ganz sicher lernen, mit diesem Schiff umzugehen, auf daß nicht mehr von ihnen eintreffen. Und wie könnten wir es besser lernen, als indem wir es nach Frankreich und Jerusalem führten? Wie mein Herr es gesagt hat – in jenem Fall wäre es ebenso klug wie bequem, Frauen, Kinder, Bauern und Städter mitzunehmen. Hast du das Tier gefragt, welche Zaubersprüche man sprechen muß, um das Schiff zu bewegen?“
    „Ja“, antwortete ich etwas zögernd. „Er sagt, das Ruder sei sehr einfach.“
    „Und hast du ihm gesagt, was geschehen wird, wenn er uns nicht getreulich lenkt?“
    „Ich habe es angedeutet. Er sagt, er würde gehorchen.“
    „Gut! Dann können wir in ein oder zwei Tagen aufbrechen!“ Sir Owain lehnte sich zurück, die Augen verträumt halb geschlossen. „Am Ende müssen wir uns überlegen, wie wir Verbindung mit seinem Volk aufnehmen. Man könnte mit seinem Lösegeld viel Wein kaufen und viele schöne Frauen erfreuen.“

 
3
     
    Und so brachen wir auf.
    Noch fremdartiger als selbst das Schiff und seine Ankunft war, wie wir uns einschifften. Dort ragte das Ding auf wie eine stählerne Klippe, von einem Zauberer zu einem scheußlichen Zweck geschmiedet. Auf der anderen Seite der Dorfwiese lag Ansby, schindelgedeckte Hütten und ausgefahrene Straßen, grüne Felder unter dem fahlen englischen Himmel. Das Schloß selbst, einst die ganze Szene beherrschend, wirkte eingeschrumpft und grau.
    Und über die Rampen, die wir von weit oben heruntergelassen hatten, hinein in die schimmernde Säule, drängte sich unser rotgesichtiges, schwitzendes Volk. Hier grölte John Hameward, den Bogen über der einen Schulter und eine Kneipendirne kichernd an der anderen. Dort schritt ein Freibauer, bewaffnet mit einer rostigen Axt, die vielleicht schon bei Hastings geschwungen worden war, in geflicktes Bauwolltuch gekleidet, vor einer keifenden Frau her, die ihr Bettzeug und den Kochtopf trug und an deren Röcken sich ein halbes Dutzend Kinder festklammerten. Hier versuchte ein Armbrustschütze ein starrsinniges Maultier dazu zu bringen, die Gangway hinaufzuklettern, und die Flüche, die er ausstieß, trugen seinem Konto so manches Jahr im Fegefeuer ein. Dort trieb ein junger Bursche ein Schwein, das sich irgendwie befreit hatte. Hier scherzte ein prunkvoll gekleideter Ritter mit einer schönen Lady, die einen Falken mit Kappe auf dem Handgelenk trug. Dort zählte ein Priester die Perlen an seinem Rosenkranz, während er zweifelnd in den eisernen Schlund trat. Hier muhte eine Kuh, dort blökte ein Schaf, hier schüttelte eine Ziege die Hörner, und dort gackerte eine Henne. Alles zusammengezählt gingen etwa zweitausend Seelen an Bord.
    Das Schiff nahm alle spielend auf. Jeder wichtige Mann konnte eine Kabine für sich und seine Lady bekommen – denn einige hatten Frauen oder Buhlerinnen nach Ansby Castle mitgebracht, um aus ihrer Abreise nach Frankreich einen eher gesellschaftlichen Anlaß zu machen. Das gemeine Volk breitete sich in den leeren Laderäumen Strohsäcke aus. Das arme Ansby blieb fast völlig verlassen zurück, und ich frage mich oft, ob es noch existiert.
    Sir Roger hatte Branithar das Schiff bei einigen Probeflügen bedienen lassen. Es hatte sich glatt und lautlos in den Himmel erhoben, als er an den Rädern, Hebeln und Knöpfen im Kontrollturm hantierte. Die Steuerung war kindisch einfach, obwohl wir gewissen Scheiben mit heidnischen Inschriften, über die Nadeln zuckten, keinen Sinn entnehmen konnten. Durch mich erklärte Branithar Sir Roger, daß das Schiff seine Antriebskraft von der Zerstörung von Materie bezog, eine wahrhaft abscheuliche Vorstellung, und daß seine Motoren es hoben und antrieben, indem sie die Anziehung der Erde in ausgewählten Richtungen auflösten. Das war sinnlos – Aristoteles hat sehr klar dargelegt, wie die Dinge zu Boden fallen, weil es ihre Natur ist zu fallen, und ich halte nichts von unlogischen Ideen, denen sich Wirrköpfe so leicht hingeben.
    Trotz seiner Vorbehalte schloß sich der Abt, Pater Simon, an und segnete das Schiff. Wir nannten es Kreuzfahrer . Obwohl wir nur zwei Kaplane mitnahmen, hatten wir
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