Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Singularität

Singularität

Titel: Singularität
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
des
Wiederaufbaus und der gemeinschaftlichen Selbstprüfung
angekündigt. Viele der verbliebenen Revolutionäre nutzten
die Gelegenheit, um in den überfüllten Lagern
unterzutauchen oder die Stadt zu verlassen, wobei sich einige die
Grundlagen der Produktion durch Füllhörner sicherten und
sie mitnahmen. Rochards Welt war nur noch spärlich besiedelt,
und nur dreihundert Kilometer jenseits der Stadt begann die nahezu
unbekannte Wildnis. Wer nicht mit ansehen wollte, wie der
frühere Status quo wieder Einzug hielt, machte sich auf und
davon.
    Gleichfalls auf Geheiß des Kuratorenbüros versuchte der
Admiral erst gar nicht, ihnen mit Truppen nachzusetzen. Robard wies
ihn darauf hin, dass später noch genügend Zeit sein
würde, sich mit Missetätern zu befassen. Die mussten sich
erst einmal durch den bevorstehenden Winter hungern.
    Noch einige weitere Rettungskapseln konnten unversehrt auf der
Rollbahn hinter dem Palast landen.
    In regelmäßigen Abständen überzogen blaue
Lichtstreifen den Himmel: Die Ableger des Festivals brachen auf. Wenn
die Babuschkas auf den Straßen dann nach oben blickten, machten
sie das Zeichen gegen den bösen Blick und spuckten in den
Rinnstein, weil für sie die »schlimme Zeit« damit
beendet war. Einige der vorbeifliegenden Starwisps hatten die
Substanz des alten Herzogs eingespeichert, aber das wussten nur
wenige, und denen war es meistens auch egal. Nach und nach gelangten
die Fabriken des Festivals in der Umlaufbahn ans Ende der für
sie vorgesehenen Lebensspanne und machten dicht. Auch die himmlischen
Telefone hörten mit der Zeit zu läuten auf. Inzwischen
nutzten die Menschen sie, um einander anzurufen. Es war einfach
schön, miteinander reden zu können. Familien und Freunde,
die sich aus den Augen verloren hatten, fanden einander mithilfe des
überall präsenten Telefonnetzes wieder. Zwar ärgerte
sich der Kurator darüber, kam aber zu dem Schluss, dass daran
nichts zu ändern war. Zumindest so lange nicht, bis der Kontakt
mit dem Vaterplaneten wiederhergestellt war.
     
    Ganz anders war die Lage in Plotsk. Die abseits gelegene Gemeinde
war durch Erdverschiebungen und bizarre, gefährliche Gebilde,
welche die Straßen unpassierbar machten, von der Hauptstadt
abgeschnitten. Hier hatte sich der Revolutionäre Ausschuss
dahingehend entwickelt, dass er nur noch als provisorischer
Gemeinderat, zuweilen auch als Stadtverwaltung agierte. In den
zahlreichen verlassenen Höfen rings um die Stadt ließen
sich Bauern nieder, zweit- und drittgeborene Söhne, die vom
plötzlichen Überfluss an Ackerboden profitierten. Auch
Fremde, die vor dem Chaos flohen, strömten in die Stadt, die
genügend Platz für alle bot.
    Genosse Rubenstein vom Zentralkomitee kündigte an, er habe
ebenfalls vor, irgendwo Land zu besiedeln und sich zur Ruhe zu
setzen. Nach einem hitzigen Streit mit der
»Stadtverwaltung« erklärte er sich damit
einverstanden, auch weiterhin einen Informationsdienst herauszugeben
und die ideologischen Angelegenheiten weniger unsteten Kadern zu
überlassen. Gemeinsam mit einem jungen Mann, der nur wenig sagte
und sich in der ersten Woche nicht in der Öffentlichkeit blicken
ließ, zog er in die Wohnung des Pfandleihers Havlicek ein, die
sich oberhalb des leer stehenden Geschäftes in der
Hauptstraße befand. Damit sorgte er für reichlich Klatsch
und Tratsch. In dem kleinen Hof hinter dem Geschäft brodelten
und dampften eigentümliche Gebilde, und man erzählte sich,
Rubenstein befasse sich mit seltsamen Künsten – mit genau
den technologischen Zaubereien, die den Staat vor nicht langer Zeit
ins Chaos gestürzt hatten –, aber niemand mischte sich ein.
Schließlich stand die örtliche Polizei im Sold der
Stadtverwaltung, und die war schlau genug, sich mit einem
gefährlichen Hexenmeister und Ideologen der Revolution nicht
anzulegen.
    Ein weiteres seltsames Paar nahm Wohnung über dem alten
Eisenwarengeschäft von Markus Wolff. Beide redeten nicht viel,
aber der bärtige Mann bewies bemerkenswertes Geschick mit
Werkzeugen. Gemeinsam renovierten sie den Laden und machten ihn
danach wieder auf. In den vom Alter nachgedunkelten
Eichenschränken des Ladens bewahrten sie einen kleinen Vorrat
von Schlössern, Wanduhren, reparierten Telefonen und noch
ungewöhnlicheren Apparaten auf und tauschten diese Güter
gegen Nahrungsmittel, Kleidung und Kohle. Es wurde viel darüber
geklatscht, woher sie diese wundersamen Spielzeuge, die sie so billig
abgaben, wohl haben mochten – Waren, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher