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Sinfonie des Todes

Sinfonie des Todes

Titel: Sinfonie des Todes
Autoren: Armin Öhri / Vanessa Tschirky
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Stuhl zurück und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Missmutig dachte er an Katharina, seine Verlobte, die vor drei Monaten am Münchner Konservatorium eine Stelle angenommen hatte. Er vermisste ihre burschikose Art und ihr Lächeln, das ihn vor vier Jahren noch so um den Finger gewickelt hatte, dass sie gemeinsam öffentlich bekannt gegeben hatten, den Bund fürs Leben eingehen zu wollen. Seither war jedoch viel Wasser die Donau hinabgeflossen und Warnstedt war noch immer nicht getraut. Um auf andere Gedanken zu kommen, hatte er angefangen, die Nachtschichten zu übernehmen, war mal hier für einen Kollegen eingesprungen, hatte mal dort ein paar Stunden abgetauscht. Doch die Arbeit machte ihn ausgesprochen schläfrig.
    Seine Augen drohten gerade zuzufallen, als im Nebenzimmer wütend ein Mann aufschrie und den Beamten, der sich mit ihm befasste, mit wüsten Beschimpfungen überhäufte. Seit vor wenigen Wochen an der Elisabethpromenade mit dem längst überfälligen Bau des neuen Polizeigebäudes begonnen worden war, gestaltete sich der Arbeitsalltag mühsamer als sonst. Das alte Hauptquartier platzte längst aus allen Nähten und die beengten Platzverhältnisse ließen in dieser Zeit des Umbruchs alles drunter und drüber gehen. Durch eine bürokratische Fehlplanung hatten sich bereits andere Ministerien provisorisch bei ihnen eingenistet. Daher teilten sich Sicherheitswache und Kriminalpolizei einige Räumlichkeiten, und Erkennungsdienst und Fahndung wetteiferten um die bestmögliche Flächenzuordnung. Seufzend stand der Inspektor auf, streckte seine Glieder, die dabei bedrohlich knackten, und begab sich in den angrenzenden Raum.
    Dass man das Morddezernat mit der gewöhnlichen Zivilfahndung in ein und dieselbe Abteilung gepfercht hatte, ärgerte ihn ungemein. Warnstedt gab sich der Hoffnung hin, dass die horrende Summe von drei Millionen Kronen, die der Steuerzahler für die neue Einrichtung zu berappen hatte, wohl ihr Geld wert sein würde. Von diesen Gedanken erfüllt, bekam er eben noch mit, wie ein kürzlich gefasster Einbrecher sich äußerst renitent verhielt. Der Mann war außer sich, brüllte und verwarf wild gestikulierend die Arme. »Fassen Sie mich nicht an, hören Sie? Sie greifen mir nicht ans Ohr! Nicht ans Ohr!« Der Beamte, der Cyprians Anwesenheit bemerkt hatte, schaute ihn Hilfe suchend an und zuckte entschuldigend mit den Achseln. In der einen Hand hielt er einen phrenologischen Messschieber, mit der anderen versuchte er, beruhigend auf den Langfinger einzuwirken, der sich inzwischen sogar erhoben hatte. »Sie Rabenbratel«, fluchte der Aufsässige, »hängen sollte man Sie!«
    Warnstedt platzte der Kragen. Immer dieses Gesindel, dieses Lumpenpack, das ihn bei der Arbeit störte. Er schritt auf den Mann zu, packte ihn am Arm und drückte ihn zurück auf den Stuhl. Mit eisernem Griff umklammerte der Inspektor die Schultern des Diebes und zischte: »So, und jetzt zum letzten Mal: Wir müssen Ihre Maße nehmen, ob es Ihnen passt oder nicht.«
    Der andere Polizist, mittlerweile wieder etwas selbstbewusster, fügte hinzu: »Etwa die Hälfte haben wir ja schon; es geht nur noch um Länge und Breite Ihres Ohrs und um die Länge des Fußes, zweier Finger und des Unterarmes. Meinen Sie, Sie schaffen das, ohne erneut auszurasten? Ansonsten sehen wir uns gezwungen, Sie festzubinden.«
    Cyprian fixierte die Augen des schmächtigen Mannes, dessen Schulterknochen sich in seine Handflächen bohrten. Der Einbrecher senkte den Blick, spuckte aus, wobei er nur knapp einen weiteren Beamten verfehlte, der am Schreibtisch das Protokoll verfasste, und nickte kurz.
    »Gut.«
    Warnstedt lockerte seinen Griff und richtete sich auf. »Ich brauche einen Kaffee. Wer möchte ebenfalls einen?« Die zwei Mitarbeiter bejahten erfreut und machten sich wieder daran, die anthropometrischen Daten des Verbrechers zu erfassen.
    Der Inspektor zog sich in sein Büro zurück, in dem die Kanne mit dem stärkenden Getränk stand, und füllte drei Tassen. Das Klingeln des Telefons unterbrach ihn dabei. Er hob den Hörer von der Gabel und meldete sich.
    »Es tut mir leid, Sie zu so später Stunde noch zu stören«, hörte er die nur mühsam beherrschte, jedoch trotzdem erstaunlich klare Stimme einer Frau, »aber mein Mann … Es geht um meinen Mann.«
    »Was ist mit Ihrem Mann? Ist ihm etwas passiert?« Warnstedt dachte gerade noch, dass die Anruferin hoffentlich nicht in Tränen ausbrechen werde, als es auch schon geschah und
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