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Silo 1: Roman (German Edition)

Silo 1: Roman (German Edition)

Titel: Silo 1: Roman (German Edition)
Autoren: Hugh Howey
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durchgehen.«
    »Nicht nötig«, sagte
Holston.
    Nelson sah zu der
Tür, die von der Luftschleuse zurück in den Silo führte. Holston musste nicht
hinsehen, um zu wissen, dass sie beobachtet wurden. »Hab Nachsicht mit mir«,
sagte Nelson, »ich muss mich an die Vorschrift halten.«
    Holston nickte, aber
er wusste, dass es gar keine Vorschriften gab. Von allen geheimnisvollen
Traditionen, die seit Generationen im Silo mündlich überliefert wurden, betraf
keine die kultartige Vorgehensweise der Overalldesigner und
Reinigungstechniker. Sie konnten ihre Arbeit so verrichten, wie sie es für
richtig hielten. Die Verbannten mochten die Reinigung zwar vornehmen, die
Techniker aber machten es erst möglich, dass der Blick auf die Welt jenseits
der Grenzen des Silos auch tatsächlich freigehalten wurde.
    Nelson legte den
Helm auf die Bank. »Hier sind deine Pads.« Er klemmte die Wolle ans Vorderteil
des Anzugs.
    Geräuschvoll löste
Holston einen Knäuel vom Klettverschluss. Er inspizierte die Schlaufen und
Schlingen des rauen Materials und drückte den Knäuel dann wieder zurück.
    »Zwei Spritzer
Reinigungsmittel aus der Flasche, bevor du mit der Wolle reibst. Dann wischst
du alles mit diesem Tuch trocken, und als Letztes trägst du die Polierpaste
auf.« Er tätschelte nacheinander die Taschen, obwohl sie eindeutig beschriftet,
mit einem Farbcode versehen und nummeriert waren – verkehrt herum, damit
Holston die Zahlen von oben lesen konnte.
    Holston nickte und
sah dem Techniker zum ersten Mal in die Augen. Es erstaunte ihn, dass Angst
darin zu sehen war. Angst hatte er in seinem Beruf im Laufe der Jahre zu
erkennen gelernt. Fast hätte er Nelson gefragt, was mit ihm los sei, dann kam
er selbst darauf: Der Mann hatte Angst, dass alle seine Anweisungen umsonst
sein könnten, dass Holston hinausgehen und seine Pflicht nicht tun würde. Das
war grundsätzlich so im Silo, wenn ein Häftling hinausgeschickt wurde: Die
Bewohner befürchteten, dass der Verurteilte die Reinigung nicht erledigen
würde, nicht für diejenigen Menschen, deren Regeln ihm zum Verhängnis geworden
waren. Oder hatte Nelson Sorge, dass die teure, raffinierte Ausrüstung, die er
und seine Kollegen anhand der technischen Daten hergestellt hatten, die aus der
Zeit von vor dem Aufstand überliefert worden waren – dass dieser Anzug den Silo
verließ und sinnlos verrottete?
    »Alles okay?«,
fragte Nelson. »Ist der Anzug zu eng?«
    Holston sah sich in
der Luftschleuse um. Mein Leben ist zu eng, wollte er sagen. Meine Haut ist zu
eng. Die Mauern sind zu eng.
    Aber er schüttelte
nur den Kopf.
    »Ich bin bereit«,
sagte er leise.
    Es war die Wahrheit.
Holston war bereit zu gehen.
    Und plötzlich
erkannte er, wie bereit auch seine Frau gewesen war.

5. KAPITEL
    Drei Jahre zuvor
    »Ich
will raus. Ich will raus! Ichwillraus!«
    Holston kam in die
Kantine gerannt. Sein Funkgerät knisterte noch. Deputy Marnes bellte etwas, das
Allison betraf, Holston hatte sich nicht einmal die Zeit genommen zu antworten,
er war sofort die drei Treppen zum Schauplatz hinaufgesprungen.
    »Was ist hier los?«
Er drängte sich durch die Menschentraube an der Tür und sah, wie sich seine
Frau auf dem Boden wand, festgehalten von Connor und zwei weiteren
Kantinenmitarbeitern. »Lasst sie los! Beruhige dich, Allison!« Er wollte nach
ihren Handgelenken fassen, die sich drehten und wanden, um dem Griff der
verzweifelten Männer zu entkommen. »Schatz, was zum Teufel ist denn los?«
    »Sie ist zur
Luftschleuse gerannt«, sagte Connor, ächzend vor Anstrengung. Percy hielt
Allisons strampelnde Beine fest, Holston hinderte ihn nicht daran. Er sah nun,
warum gleich drei Männer gebraucht wurden. Er beugte sich ganz nah zu Allison
vor, damit sie ihn auch sah.
    »Allison, Schatz, du
musst dich beruhigen.«
    »Ich will raus! Ich
will raus!«
    Ihre Stimme war nun
ruhiger, aber die Worte sprudelten aus ihr heraus.
    »Sag das nicht!«
Holston lief es beim Klang dieses Satzes eiskalt über den Rücken. »Sag so etwas
nicht, Schatz.«
    Doch ein Teil von
ihm spürte einen tiefen Stich und begriff, was dieser Satz bedeutete. Er
wusste, es war zu spät. Die anderen hatten es gehört. Alle hatten es gehört.
Seine Frau hatte ihr eigenes Todesurteil unterschrieben. Der Raum drehte sich
um ihn, während er Allison bat, still zu sein. Ihm war, als wäre er am
Schauplatz eines grauenvollen Unglücks angekommen, etwa bei einem Unfall unten
in der Mechanik, und er hätte den Menschen, den er liebte,
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