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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod
Autoren: F E Higgins
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gelöscht werden kann.«
    Er drehte sich nach Pin um. »Sag, kannst du dir Schlimmeres vorstellen?«
    Pin, der inzwischen überzeugt war, dass Mr Gaufridus beabsichtigte, ihn lebendig zu begraben, wich zur Tür zurück.
    »Ich … nein«, stammelte er.
    »Gut«, sagte Mr Gaufridus, »dann wirst du verstehen, warum ich all die ›komischen Sachen‹ erfunden habe. Natürlich, es gibt auch Leute, die Särge mit Alarmsystemen bauen, mit Klingeln und Fahnen. Aber ich nicht. Zum Klingeln ist es zu spät, wenn man begraben ist. Der Schaden ist angerichtet, und zwar nicht am Körper, sondern im Kopf. Ich, Goddfrey Gaufridus, habe mich mit dem eigentlichen Kern des Problems befasst.«
    »Und der wäre?«, fragte Pin zitternd. Noch immer betrachtete er diesen unheimlich kühlen Menschen mit tiefem Misstrauen.
    »Dass eine Person tot sein muss, bevor sie begraben wird!«
    »Oh«, sagte Pin. Er will mich also doch nicht lebendig begraben, dachte er, aber das war kein großer Trost.
    Mr Gaufridus fuhr fort. »Du wirst für deine Arbeit bei mir wissen müssen, wie all diese Apparate anzuwenden sind.« Beim Sprechen fasste er Pin am Ellbogen und dirigierte ihnzum Tisch hin. »Wenn du bitte so gut sein möchtest?«, sagte er, half Pin hinauf und hieß ihn sich hinlegen.
    »Das hier ist einer der ersten Apparate, die ich entwickelt habe, und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden damit bin.« Er zog Pin Stiefel und Socken vom Fuß, ließ eine Lederschlaufe um seinen großen Zeh gleiten und zurrte sie fest. Der arme Pin, dessen Misstrauen nun in größte Verwirrung umschlug, wollte sich halb aufrichten und auf die Ellbogen stützen, doch Mr Gaufridus drückte ihn wieder zurück, ohne das Unbehagen des Jungen zu bemerken.
    »Meinst du, das hier würde dich aufwecken, wenn du nur schliefest?«
    Mit diesen Worten langte Mr Gaufridus nach einem über dem Tisch angebrachten Griff und begann, rhythmisch daran zu ziehen. Langsam kamen die Zahnräder in Gang und Pins Fuß wurde mit einem kräftigen Ruck nach oben gezogen.
    »Ja, ja, ganz bestimmt!«, rief Pin gellend, um das Knirschen der Scharniere und das Rasseln der Kette zu übertönen. »Aber ich müsste schon sehr, sehr tief schlafen, damit jemand überhaupt annehmen könnte, ich wäre tot.«
    »Hmm.« Mr Gaufridus wurde nachdenklich. Es kam selten vor, dass er Gelegenheit fand, seine Erfindungen an einem lebenden Menschen zu testen, und er hatte vor, sie bestmöglich zu nutzen. »Dann wollen wir mal das hier ausprobieren«, erklärte er. Damit öffnete er eine schmale Schublade in der Kommode hinter sich und entnahm ihr eine lange Nadel, mit der er – ziemlich fest, um die Wahrheit zu sagen – in Pins nackte Fußsohle stach.
    »Auaaaa!«, schrie Pin und sprang mit einem Satz vom Tisch, wobei er vergaß, dass er noch an der Zehen-Zugmaschine befestigt war. Hätte Mr Gaufridus ihn nicht aufgefangen, hätte er die ganze Apparatur von der Decke gerissen und die Folgen wären womöglich katastrophal gewesen. Wortlos, wenn auch immer wieder kopfschüttelnd, befreite Mr Gaufridus ihn aus dem Gewirr von Lederriemen, Schnüren und Ketten. Danach lehnte Pin es ab, an weiteren Demonstrationen teilzunehmen, wehrte sich mit zusammengepressten Lippen gegen den Zungen-Zugapparat und beschwor Mr Gaufridus, er möge ihm seine Gerätschaften lediglich erklären . Ob Mr Gaufridus enttäuscht war oder ärgerlich, oder ob ihm gar Zweifel kamen, ließ sich aus seiner Miene nicht entnehmen; er ging jedoch auf Pins Bitte ein. Die nächste Stunde verbrachten die beiden also damit, alle Instrumente und Vorrichtungen zu untersuchen, die Mr Gaufridus entwickelt hatte, um sich vergewissern zu können, dass die Verstorbenen tatsächlich tot waren und nicht etwa schliefen, betrunken waren oder in einem Koma lagen.
    Seine Erfindungen waren zahlreich und unterschiedlich. Mr Gaufridus schien die ganze Skala von Schmerz auslösenden Methoden zu kennen, mit deren Hilfe sich Scheintote zum Leben erwecken ließen. Diese Methoden reichten von den nur unangenehmen – an Zehen und Ohren ziehen – über die etwas schmerzhafteren – auf die Knöchel schlagen und ins Ohr schreien – bis zu den unvorstellbar schmerzhaften. Einzelheiten aus letzterer Kategorie sind in Mr Gaufridus’ Buch Tot oder lebendig? nachzulesen (es existieren nocheinige wenige Exemplare in lesbarem Zustand). Auch das Wasser des Foedus wurde zweckdienlich eingesetzt. In Flaschen gefüllt und verkorkt verstärkte sich der Gestank so sehr, dass
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