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Silberstern Sternentaenzers Sohn 06 - Annit und der Geschichtenerzaehler

Silberstern Sternentaenzers Sohn 06 - Annit und der Geschichtenerzaehler

Titel: Silberstern Sternentaenzers Sohn 06 - Annit und der Geschichtenerzaehler
Autoren: Lisa Capelli
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das!
    Habib nickte. Dann griff er in die Tasche seines weiten Gewandes und zog ein Pergament heraus.
    Annit beobachtete ihn verwundert.
    Habib rollte das Papier auf und reichte es an den Beduinen zu seiner rechten Seite weiter. Der blickte darauf, nickte und gab es Habib zurück. Der händigte es nun dem Beduinen zu seiner linken Seite aus. Auch der las  kurz, nickte, stand schließlich auf und übergab es dem  Stammesfursten.
    Was geht hier eigentlich ab?, wunderte sich Annit. Was  zum Teufel steht auf diesem Papier?
    Der Stammesfürst überflog das Pergament, dann blickte er zu Annit. „Habib ist auf etwas gestoßen“, begann er.
    Annit schwieg. Allmählich breitete sich ein ungutes Gefühl in ihrem Bauch aus. Ihre Augen wanderten zu Habib, der bis über beide Ohren grinste. Sieht irgendwie gar nicht so aus, als würde hier über seine Strafe verhandelt,  dachte sie und wurde immer unruhiger.
    „Hier stehen ...“, der Stammesfürst hielt das Pergament in die Luft, „... Regeln für das große Pferderennen bei den Beni Sharqi geschrieben. Regeln, die unsere Ur-Ur-Urahnen festgelegt haben.“
    „Ganz genau!“ Habib nickte eifrig und rieb sich die Hände.
    „Jahrhundertealte Regeln, die bestimmen, wer an diesem Rennen teilnehmen darf und wer nicht“, erklärte der Stammesfürst mit bedächtiger Stimme.
    Das ungute Gefühl in Annits Bauch verstärkte sich mit jedem Wort des alten Mannes.
    „Hier steht geschrieben, dass am Pferderennen der Beni Sharqi keine Frauen teilnehmen dürfen.“
    „Genau!“, pflichtete ihm Habib eifrig bei. „Keine Mädchen.“ Er warf Annit einen triumphierenden Blick zu.
    Verdammt! Annits Blick wanderte zum Stammesfürsten. 
    Der nickte. „Ausschließlich Männer.“
    Okay. Das war’s dann wohl, dachte Annit enttäuscht.  Eigentlich kann ich jetzt aufstehen und auf der Stelle gehen. Wenn ich an dem Rennen nicht teilnehmen darf, können wir in  dem Beduinendorf auch nicht mehr bleiben. Schade, es hat mir  hier inzwischen eigentlich ganz gut gefallen. Außerdem hatte  ich gehofft, vielleicht doch eine Antwort auf die noch offenen  Fragen zu bekommen und Silbersterns und Sternentänzers  Geheimnis noch ein Stück weiter zu lüften. Aber das hat wohl  nicht sollen sein. Sie hievte sich hoch und zwang sich zu  einem Lächeln. „Ich sag Mannito Bescheid. Wir packen  dann unsere Sachen zusammen und verschwinden so  bald wie möglich.“
    Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie Habib zu frieden über das ganze Gesicht strahlte. Keiner sagte ein  Wort. Annit öffnete den Zeltausgang.
    „Warte!“
    Annit blieb stehen.
    „Setz dich!“ Die Stimme des Stammesfürsten klang  ernst.
    Was denn noch?
    Das Stammesoberhaupt blickte in die Runde. „Es ist  ein Text unserer Urahnen. Wir vom Stamme der Beni  Sharqi sind wohl dafür bekannt, die Traditionen unserer  Urahnen zu achten.“
    Habib nickte und klatschte Beifall.
    Der Stammesfürst ignorierte ihn.
    „Aber wir sind auch dafür bekannt, uns nicht der G egenwart und ihren Änderungen zu verschließen.“ Er  sah Annit an. „So heißen wir beispielsweise alle Gäste  willkommen, woher sie der Wüstenwind auch bringen  mag! Dadurch lernen wir viel von der sogenannten Mo derne. Daher sprechen wir auch deine Sprache, weil wir  lange Archäologen aus Deutschland bei uns zu Gast  hatten.“ Er rollte das Pergament in seiner Hand auf. „Es  waren Ausländer, und wir haben viel von ihnen gelernt.  Alles ist dem Wandel unterworfen. Wer sich nicht ändert,  stirbt.“ Dann wandte er seinen Blick wieder Annit zu.  „Du reitest schnell wie ein Pfeil, Mädchen. Ich habe noch  wenige so gut reiten sehen wie dich. Es ist eine wunder bare Gabe, Allah hat dich damit gesegnet.“ Er schaute  nun die Männer an.
    Aus Habibs Gesicht war das triumphierende Lächeln  verschwunden. Sein Blick wirkte finster und bedrohlich.
    „Allah hat dieses Mädchen zu uns geschickt. Es ist also Allahs Wille und somit auch der Wille unserer Urahnen, dass wir uns nicht verschließen, sondern dieses Mädchen an unserem Pferderennen teilnehmen lassen.“
    „Aber ... da ... steht ...“, stammelte Habib mit hochrotem Kopf und deutete auf das Pergament, das der Stammesfürst noch immer in Händen hielt.
    „Was hier geschrieben steht“, sagte das Oberhaupt der Beduinen feierlich, „das werden nun die Flammen für immer verschlingen.“ Damit ließ er das Stück Papier los,  das langsam wie eine Feder in die Glut schwebte
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