Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
den Unterschied riechen. Jemand hatte einen großen Schlüssel von außen im Schloß stecken lassen. Die fast vier Meter hohe Tür gab mit einem Quietschen nach, aber ich mußte mich mit meinem ganzen Körpergewicht dagegenstemmen, um dieses Ungetüm einen Spaltweit zu öffnen.
    Ein eigenartiger Ort! Seit Pertinax und sein Partner Camillus Meto das Lager wieder benutzten, hatte die Atmosphäre etwas Magisches bekommen. Aber die Totenstille sagte mir, daß niemand hier war.
    Der Pfefferspeicher war ein rechteckiger, hoher Bau. Spärliches Licht sickerte von oben herein. Auch jetzt war das Lagerhaus nicht einmal zur Hälfte gefüllt, aber an diesem warmen Nachmittag trafen mich die vielfältigen Gerüche der hier gehorteten Kostbarkeiten wie dichte Dampfschwaden, wenn man ein gut geheiztes Bad betritt. Sobald sich meine Augen an das schummrige Licht gewöhnt hatten, erblickte ich große Rundgefäße voller Ingwerwurzeln, die in schattigen Reihen dastanden wie Pharaonenstatuen an der Straße zu den Gräbern irgendeiner verschwiegenen Totenstadt. In der Mitte waren Säcke voller Gewürznelken, Koriander, Kardamon und Zimt gestapelt. An einer Wand standen große hölzerne Tröge nebeneinander. Bis zum Ellbogen konnte ich den Arm in schwarzen, weißen, grünen Pfeffer tauchen. Eine halbe Handvoll Körner – soviel wert wie ein Jahresverdienst – schob ich mir gedankenverloren in die Tasche.
    Sie war nirgendwo zu sehen. Zwischen langen Reihen von Körben und Fässern ging ich in den hinteren Teil des Gebäudes und kehrte dann wieder um. Mir tränten die Augen. Im schwindelerregenden Dunst dieser Wohlgerüche kam ich mir vor wie ein Mann, der in Balsam ertrinkt.
    »Helena«, sagte ich vor mich hin, nicht laut. Ich wartete, versuchte mit aller Kraft ihre Gegenwart zu erspüren, aber ich wußte, sie war nicht hier.
    »Helena …«
    Ich trat hinaus in das grelle Licht des Hofes. Jemand war hier gewesen. Jemand hatte den Schlüssel zurückgelassen. Jemand wollte zurückkommen.
    Im Hof war niemand. Ich stand da und musterte noch einmal die Wagen an der Mauer. Sie waren solide gebaut. Gewürze wurden gewöhnlich in Körben auf Maultieren transportiert.
    Ich ging zum Tor hinüber. Naïssa war verschwunden. Sonst hatte sich nichts verändert. Ich ging zurück zu dem Wächter, der gerade aufgewacht war und mir mit verschwommener Glückseligkeit entgegensah.
    »Ich suche ein Mädchen.«
    »Na, dann viel Glück!«
    Für ihn bestand die Welt inzwischen aus lauter Freunden. Deshalb drängte er mich, die nächste Flasche mit ihm zu teilen. Ich setzte mich zu ihm auf den Boden und überlegte, was ich als nächstes tun sollte. Die Flasche mit ihm leeren hieß, ihm Gesellschaft leisten – und aus eben diesem Grund hatte der Wächter bisher allein getrunken, denn seine Gesellschaft war unerträglich und der Wein noch schlimmer. Das Trinken machte ihn anscheinend nüchtern, und um mich von seiner langweiligen Art und seinem widerwärtigen Gesöff abzulenken, erkundigte ich mich nach dem Fortschritt der Arbeiten an der städtischen Kanalisation. Ich hätte es bleiben lassen sollen, denn er erwies sich als ein starrsinniger Schwadroneur, der nun allerlei Meinungen über die Inkompetenz der Ädilen als Bauaufseher zum besten gab und nicht mehr zu bremsen war. Er hatte zwar recht, aber deswegen war ich noch lange nicht scharf auf sein Geschwafel. Ich biß auf ein Pfefferkorn und fluchte.
    »Das geht hier jetzt schon fast ein Jahr. Warum dauert es so lange?« fragte ich ihn.
    Wäre ich ein Mann, dem das Glück hold ist, so hätte er geantwortet, er sei nur der Wächter und habe keine Ahnung; aber Leute, die einem Vorträge über die Probleme der Kommunalverwaltung halten, sind nicht so ehrlich, und sie fassen sich auch nicht so kurz. Nach einem hingenuschelten Vortrag über die Wartung öffentlicher Kanalanlagen, der in den technischen Einzelheiten außerordentlich ungenau war und vollends unerträglich wurde, als sich der Referent anschickte, Skizzen in den Staub der Straße zu zeichnen, begriff ich zumindest, daß die undichten Stellen immer wieder an der gleichen Stelle auftauchten. Die Reparatur war mühsam, denn die problematische Stelle lag ungefähr zweihundert Meter entfernt unter der Granatgasse. Keiner der eingebildeten Besitzer dort wollte zulassen, daß man seinen Hof aufhackte, deshalb mußte der ganze Mörtel mit Schubkarren hierhergeschafft und dann in Tragkörben unter der Erde zur Baustelle geschleppt werden …
    »Können die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher