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Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Silbernes Mondlicht, das dich streichelt

Titel: Silbernes Mondlicht, das dich streichelt
Autoren: Linda Lael Miller
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schluckte, bevor er eine zitternde Hand hob und dreimal ans
Wagendach klopfte. Während er Aidan in furchtsamem Schweigen anstarrte,
lockerte er seine Krawatte und entblößte den Puls, der heftig zwischen Lagen
feinster Seide pochte.
    Ja, dachte Aidan mit einem
verlangenden Blick auf die Kehle des Mannes. Bald, sehr bald schon würde der
schreckliche Hunger, der ihn quälte, gestillt sein ...
    »W-wer sind Sie?« wagte der Edelmann
schließlich zu fragen.
    Aidan lächelte zuvorkommend und nahm
seinen Hut ab, um ihn sorgfältig auf dem Ledersitz abzulegen. »Niemand, eigentlich.
Man könnte sagen, daß Sie einen bemerkenswert realistischen Alptraum haben —
Bucky.«
    Der junge Mann erblaßte, als Aidan
ihn bei seinem Spitznamen nannte, den er ihm — natürlich — nicht genannt
hatte. Bucky schluckte, auf seiner Oberlippe bildete sich ein feiner
Schweißfilm. »Wenn es wegen des Kindes ist — ich habe nur ein harmloses Vergnügen
bei ihr gesucht ...«
    »Sie sind ein Mann mit sehr
sonderbaren Neigungen«, entgegnete Aidan ruhig. »Weiß Ihre Familie von Ihren
nächtlichen Vergnügungen?«
    Bucky rutschte nervös auf seinem
Platz hin und her. »Falls es sich um Erpressung handelt ...«
    Aidan unterbrach ihn lächelnd.
»Schämen Sie sich! Nicht alle von uns sind bereit, so tief zu fallen wie Sie,
mein Freund. Erpressung betrachte ich als unter meiner Würde.«
    Eine heftige Röte stieg in Buckys
blasse Züge, was Aidans Verlangen, sich an ihm zu nähren, in wilde Gier
verwandelte. Und doch war er entschlossen, noch abzuwarten, bis die Aussicht
noch süßer wurde — als hätte er einen guten Wein vor sich, dessen Bouquet er
erst erschnupperte, bevor er ihn trank. Zumindest war es damals so gewesen,
früher, in jenen wundervollen Tagen, als das einzige Blut, das er gebraucht
hatte, jenes gewesen war, das durch seine Adern floß.
    »Was wollen Sie dann, wenn es Ihnen
nicht um Geld geht?« stieß Bucky verwirrt hervor.
    Aidan lächelte und entblößte seine
Fänge. In stiller, gnadenloser Entschiedenheit sah er zu, wie ein stummer
Schrei in Buckys Kehle aufstieg und der Blick des jungen Mannes hilflos zur Tür
glitt.
    »Es gibt kein Entkommen«, sagte
Aidan freundlich.
    Buckys Augen drohten aus den Höhlen
zu treten. »Keine ... keine Kinder mehr ... ich schwöre es ...«
    Aidan zuckte die Schultern. »Das
glaube ich Ihnen sogar«, gab er zu. »Sie werden nämlich nie wieder Gelegenheit
dazu bekommen.«
    Die Kutsche ratterte durch die
nebligen Londoner Straßen, eine Fahrt, die Bucky schier endlos erschien. Und
tatsächlich war sie wie eine kleine Ewigkeit für ihn. Erst als Aidan merkte,
daß die Zeit knapp wurde und bald ein neuer Tag beginnen würde, beschloß er,
den edlen Wein endlich zu kosten.
    Bedächtig legte er seine Hände auf
Buckys samtbedeckte Schultern, zog ihn an sich und bleckte für einen Moment
sogar die Zähne, wie es ein Filmvampir getan hätte, um dem Augenblick mehr
Dramatik zu verleihen. Dann erst grub er sie in Buckys Hals, und das Blut, die
lebensspendende Energie für Aidan, strömte nicht über seine Zunge, sondern
durch seine Fänge.
    So sehr er auch haßte, was er war,
die Fütterung brachte die übliche Ekstase mit sich. Aidan trank, bis sein
quälender Durst gestillt war, dann drehte er Bucky blitzschnell das Genick um
und schleuderte ihn auf den Kutschenboden.
    Aidan nährte sich nur sehr selten
von Opfern aus Buckys Kreisen, und als er sich jetzt vorstellte, welche Furore
das Auffinden des blutleeren Körpers eines stadtbekannten Dandys verursachen
würde, runzelte er besorgt die Stirn. In gewisser Weise empfand er sogar so
etwas wie Bedauern für die wohlmeinenden guten Seelen von Scotland Yard, denen
es überlassen bleiben würde, diesen Vorfall aufzuklären.
    Natürlich würden sie Jack The Ripper
dafür verantwortlich machen.
    Aidan hielt die Kutsche an, indem er
den ohnehin schon verwirrten Verstand des Fahrers lähmte. Dann bückte er sich,
richtete Buckys blutgetränkte Krawatte und stieg auf einer verlassenen
Seitenstraße aus.
    Die imposante, von einem mächtigen
schmiedeeisernen Zaun umgebene Residenz seiner Schwester Maeve ragte vor ihm
auf.
    Der Vampir blickte dem Kutscher in
die ausdruckslosen Augen und schickte ihn ohne jegliche Erinnerung an den
Besuch in Whitechapel oder die Begegnung mit dem Fremden fort. Langsam ratterte
das Gefährt durch den wallenden Nebel davon.
    Aidan betrat das Haus durch einen
geheimen Eingang neben dem Weinkeller und zog sich in einen
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