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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge
Autoren: Jim Butcher
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erfahren. Es ist schwer, jemanden zu finden, der mehr als dreißig oder vierzig Jahre Übung hat, von vielen Jahrhunderten ganz zu schweigen. Nicht so talentiert wie der Japaner, aber mit ihm konnten sich sowieso nicht viele messen.«
    »Gib das Grabtuch her, Nikodemus«, rief Michael. »Es gehört dir nicht.«
    »Oh doch, es gehört mir«, antwortete Nikodemus. »Du wirst mich gewiss nicht aufhalten, und wenn ich mit dir und dem Magier fertig bin, werde ich mir den Jungen vornehmen. Drei Ritter auf einen Streich, das ist nicht schlecht.«
    »Der Kerl erzählt Märchen«, murmelte ich.
    »Wenigstens hat er Sie nicht völlig übersehen«, meinte Marcone. »Ich fühle mich ein wenig beleidigt.«
    »He«, rief ich, »alter Nick, können Sie mir einen Gefallen tun?«
    »Na sicher, Magier. Sobald der Kampf beginnt, ist ja nicht mehr viel Gelegenheit dazu.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Was?«
    »Warum?«, wiederholte ich. »Warum tun Sie das alles? Wieso haben Sie das Grabtuch gestohlen? Sie wollten ein schweres Geschütz haben, aber warum diese Seuche?«
    »Haben Sie mal die Offenbarung gelesen?«
    »Schon lange nicht mehr«, gab ich zu. »Ich kann Ihnen einfach nicht abkaufen, dass Sie wirklich glauben, Sie könnten die Apokalypse auslösen.«
    Nikodemus schüttelte den Kopf. »Dresden, Dresden. Die Apokalypse, wie Sie es nennen, ist kein einzelnes Ereignis. Ich bin sicher, dass es eines Tages eine Apokalypse geben wird, mit der wirklich alles untergeht. Die heutigen Ereignisse sind ganz gewiss nicht der Anfang vom Ende.«
    »Warum tun Sie es dann?«
    Nikodemus betrachtete mich einen Moment, dann lächelte er. »Die Apokalypse ist ein Geisteszustand«, erklärte er. »Eine Überzeugung. Die Kapitulation vor dem Unvermeidlichen, die Verzweiflung vor der Zukunft. Der Tod aller Hoffnung.«
    »Unter diesen Bedingungen gibt es mehr Leiden, mehr Schmerzen, mehr Verzweiflung. Mehr Macht für die Unterwelt und ihre Diener«, fügte Michael hinzu.
    »Genau«, bestätigte Nikodemus. »Wir haben eine Terroristengruppe, die die Verantwortung für die Seuche übernehmen wird. Wahrscheinlich wird dies Vergeltungsschläge, Proteste und Feindseligkeiten auslösen.«
    »Damit sind sie schon einen Schritt weiter«, sagte Michael. »Er sieht es als Fortschritt.«
    »Ich denke ganz einfach an die Entropie«, widersprach Nikodemus. »Die entscheidende Frage ist doch, warum ihr euch überhaupt gegen mich stellt. Es ist unvermeidlich, dass im Universum letztlich alles zerfällt. Euer Widerstand ist sinnlos.«
    Michael zog zur Antwort sein Schwert.
    »Ah«, sagte Nikodemus. »Welche Beredsamkeit.«
    »Bleib zurück«, sagte Michael zu mir. »Störe mich nicht.«
    »Michael…«
    »Ich meine es ernst.« Er trat vor und stellte sich Nikodemus zum Kampf.
    Der ließ sich jedoch Zeit und schlenderte Michael gelassen entgegen, kreuzte leicht die Klingen mit ihm und hob das Schwert wie zum Gruß. Michael folgte seinem Beispiel.
    Dann griff Nikodemus an, und Amoracchius flammte wieder auf. Die beiden Männer wechselten rasch einige Stöße und Hiebe, lösten sich und gingen wieder aufeinander los, umkreisten sich und überstanden die erste Runde ohne Kratzer.
    »Wenn man ihn erschießt, ist es ihm höchstens etwas unangenehm«, sagte Marcone leise zu mir. »Ich nehme allerdings an, dass ihn das Schwert des Ritters verletzen kann?«
    »Michael glaubt es nicht«, erwiderte ich.
    »Warum kämpft er dann?« Marcone sah mich verblüfft an. »Weil es getan werden muss«, erklärte ich.
    »Wissen Sie, was ich glaube?«, fragte Marcone.
    »Sie denken, wir sollten bei der nächsten Gelegenheit Nikodemus in den Rücken schießen, damit Michael ihn enthaupten kann.«
    »Genau.«
    Ich zog meine Waffe. »In Ordnung.«
    In diesem Augenblick tauchten mehrere Waggons vor uns Deirdres glühende Augen auf. Sie kam auf uns zugerannt – elegant geschuppt und frisiert wie ein Spaghettimonster. Außerdem war sie mit einem Schwert bewaffnet.
    »Michael!«, rief ich. »Hinter dir!«
    Er drehte sich um und wich geduckt zur Seite aus, um Deirdres erstem Angriff zu entgehen. Ihre Haare folgten ihm, schlugen nach ihm und wickelten sich um den Schwertgriff. Ich handelte, ohne nachzudenken, nahm Shiros Schwertstock vom Rücken und warf ihn hinüber. »Michael!«
    Er drehte nicht einmal den Kopf herum, sondern streckte nur den Arm aus, fing den Stock und zog mit einer fließenden Bewegung das Schwert heraus. Nun erstrahlte auch Fidelacchius in seinem eigenen Licht. Ohne
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