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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht
Autoren: Laura Whitcomb
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Korb stieß gegen meine Schulter.
    Ich umklammerte ihre Hüfte, während sie durch die winzige Öffnung krabbelte und spuckte, als ihr Gesicht ins Wasser tauchte. Zischend verlosch die Laterne, das kleine goldene Licht hinter mir war verschwunden. Die Kleine spähte von außen durch das Loch. Das Wasser stand mir bis zum Kinn. Ich hustete, als eine Welle über mich hinwegflutete und ich das Wasser ausspucken musste. Es schmeckte nach Eisen und Erde.
    »Mama?«, fragte sie ängstlich.
    »Warte nicht auf mich, Liebling«, rief ich. »Lauf!« Sie drehte sich um und verschwand im Sturm. Wenn ich klüger gewesen wäre, lägen wir jetzt beide in eine Decke gewickelt oben unter dem Bett. Ein weiterer markerschütternder Aufprall erklang. Ich schluckte Wasser und würgte. Ich hörte einen hohen Schrei, der mich wie ein Messer durchfuhr und abbrach, als die Flut mein Kind verschlang.
     
    Ich spürte Wasser an meinem Kinn, noch warm, doch nicht zu heiß. Ich blinzelte und sprach laut vor mich hin: »Ich habe mein Baby getötet.« Ich schien zu fallen. Meine Hand trieb an die Wasseroberfläche, gefolgt von meinem Geist, der sich über meinen Körper erhob. Nein, nicht meinen Körper. Ihren. Ich schwebte über ihm, als er ins Wasser glitt und sich das goldene Haar im Wasser ausbreitete und dunkel färbte. Ein hohles Summen wie von einer leeren Muschel stieg leise aus der Badewanne auf.
    Jenny stand immer noch hinter mir und beobachtete die Szene. »Geh schon«, wollte ich ihr zurufen, doch ich verharrte wieder so stumm wie damals, als ich Licht war und um Mr. Brown herumschwebte. Wie dunkler Schlamm pirschte sich das Böse an den unbewohnten Körper heran und war fast schon am Rand der Badewanne angelangt.
Nimm den Körper,
rief ich ihr in Gedanken zu.
Ich komme nicht mehr durch. Du musst das jetzt tun.
    Im nächsten Moment verschmolz Jenny mit ihrem Fleisch und öffnete die Augen. »Gott sei Dank«, dachte ich, doch dann stieg eine Luftblase von ihrem Gesicht auf, und ihre Lider senkten sich nach unten.
    »Nein!«, rief ich. »Wach auf!« Ihr Haar trieb um ihre Schultern, zu schwer für die Wasseroberfläche. Sie atmete nicht. Ich versuchte sie zu berühren, doch ich war ohne Gestalt, ohne Form. Wütend schrie ich die weiße Badewanne an, in der das Mädchen nackt und schlafend wie eine weiße Puppe lag.
    Gott, wenn es dich gibt, bitte hilf mir.
    Ich tauchte in das Wasser und brüllte ihr direkt ins Ohr: »Wach auf!«
    So viele Male hatte ich einen Vorhang bewegt oder einen Vogel im Flug erschreckt, wenn ich still und unsichtbar sein wollte, und jetzt, da ich sie verzweifelt aus ihrer Teilnahmslosigkeit schütteln wollte, konnte ich nicht einmal die Wasseroberfläche kräuseln. Sie war in ihren Körper zurückgekehrt, und doch war die Schwärze im Raum noch nicht verschwunden. Merkte sie nicht, dass Jenny nicht länger leer war? Das Böse waberte über den Wannenrand, ließ sich im Wasser nieder und färbte es rauchgrau.
    Diese Arroganz machte mich unsäglich wütend.
    Ich bewegte mich so nahe wie möglich in dem dunklen Wasser vor Jennys Gesicht und schrie: »Kämpfe!«
    Ihr Körper bäumte sich auf, sie öffnete die Augen und setzte sich hustend und spuckend auf. Das Böse verschwand, das Badewasser klärte sich. Jenny übergab sich und schrie ängstlich auf, als sie die kleinen weißen Pillen neben sich im Wasser treiben sah. Angeekelt leerte sie die Wanne und schob die Pillen in den Abfluss. Zitternd drehte sie das heiße Wasser auf und trank es in gierigen Schlucken. Dann sah sie die Tabletten auf dem Boden. Nackt und nass saß sie in der Wanne, warmes Wasser floss über ihre Füße.
    Wie ein Drachen, der in einem Baum in der Ecke der Zimmerdecke gefangen war, beobachtete ich sie. Beim Klang der Türglocke sprang Jenny auf. Es klingelte und klingelte, bis Cathys angespannte Stimme ertönte. Sie klopfte an die Badezimmertür. »Jenny?« Cathy drückte die Klinke herunter, doch die Tür blieb verschlossen. »Geht es dir nicht gut?« Jenny drehte das Wasser ab und lauschte mit angstgeweiteten Augen auf die Stimme ihrer Mutter.
    Dann hörten wir einen Jungen sprechen. »Jenny? Kann ich mit dir reden?«
    Cathy rief: »Liebling, hier ist jemand, der dich besuchen will.«
    Jenny antwortete nicht, sie schien wie gelähmt, als ob sie nicht wüsste, wo und wer sie war, wer ihre Feinde waren. Die zwei Stimmen diskutierten flüsternd miteinander.
    »Ich meine es ernst«, sagte Cathy durch die Tür. »Du lässt mich jetzt sofort
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