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Sieg der Liebe

Titel: Sieg der Liebe
Autoren: Mirinda Jarrett
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Klage“, fuhr Michel mitleidlos fort. „Mir scheint, Sie sind am Leben, auch wenn Sie sich im Moment ziemlich schlecht fühlen.“
    Wer war nur dieser Fremde, dessen Stimme ihr seltsam vertraut war? Zögernd öffnete sie die Augen wieder.
    Was sie dann sah, ergab überhaupt keinen Sinn. Statt in ihrem Bett mit den hohen Pfosten, lag sie zusammengerollt auf einem Haufen alten Strohs in der Ecke eines Stalles. Durch Risse in den Wänden fiel Tageslicht herein. Sie hörte keines der Geräusche, die sie aus Newport kannte, keine Kirchen-glocken, keine Pferdehufe und Wagenräder auf dem Straßenpflaster, kein Rufen der Seeleute vom Hafen her, nur das Trommeln des Regens auf die Schindeln und das leise Schnauben und Stampfen der Pferde, die in den beiden letzten Boxen standen.
    Und sie sah den Mann, der auf der Bank unter dem einzigen Fenster saß und die bestrumpften Beine von sich streckte. Er beobachtete sie über den Rand einer alten Ausgabe des Newport Mercury hinweg. Seine Stiefel standen ordentlich vor ihm. Er schien nicht viel älter zu sein als sie, aber um den Mund seines gutgeschnittenen, beinahe schönen Gesichts lag ein Zug von Bitterkeit.
    Im hereinfallenden Licht schimmerte sein Haar goldblond. Wie konnten Augen, die so blau waren wie der Himmel, gleichzeitig so kalt dreinblicken?
    „Wer sind Sie?“ fragte sie. Ihre Verwirrung wich allmählich einem Gefühl des Unbehagens.
    Er zog die Brauen hoch. „Sie erinnern sich nicht, meine schöne kleine Braut?“
    „Braut?“ Sie stützte sich auf die zitternden Arme und sah ihn verständnislos an. Ganz bestimmt war sie nicht mit einem Mann wie ihm verheiratet. „Wann habe ich ...“
    Sie verstummte, als ihre Erinnerung wiederkehrte. Ihre Hochzeit mit Tom, die Freudentränen in den Augen ihrer Mutter, der stolze Ausdruck im Gesicht ihres Vaters, als sie sie allein in ihrem Schlafzimmer zurückließen. Wie sie aus dem Fenster geklettert war, um sich eine Rose für ihr Haar zu holen und diesen Mann getroffen hatte. Sie hatte sich von seiner einfachen, aber gutgeschnittenen Kleidung und seinem Lächeln täuschen lassen und ihn für einen der Hochzeitsgäste gehalten! Sie hatte ihm vertraut, denn er hatte so liebenswürdig und charmant gewirkt. Jetzt schien er weder das eine noch das andere zu sein.
    Hastig warf sie die grobe Decke zurück, unter der sie gelegen hatte, und sah die schmutzigen, zerfetzten Reste ihres Hochzeitskleides. Jerusa tastete an den Hals und an die Ohren. Ihr Schmuck war verschwunden.
    „Sie haben mich nicht nur entführt, sondern auch beraubt!“ keuchte sie und versuchte aufzustehen. „Ich verlange, daß Sie mich sofort nach Hause zurückbringen, Sir!“
    „Damit Ihr Vater dafür sorgen kann, daß man mich hängt?“ Michel lächelte bitter, faltete die Zeitung zusammen und warf sie auf die Bank. „Ich fürchte, das wird nicht gehen, Miss Jerusa. Und erteilen Sie mir keine Befehle. Sie sind kaum in der Lage, irgend etwas zu fordern.“
    Das hauchdünne Fichu aus Batist, das sie um die Schultern getragen hatte, war verschwunden, und Jerusa war sich schamhaft bewußt, wie er seinen Blick von ihrem Gesicht zu dem modisch tiefen Decollete gleiten ließ, in dem ihre Brüste von dem Korsett gehoben und halb entblößt waren.
    Rasch zog sie die Decke bis zum Kinn hoch. „Mein Vater wird dafür sorgen, daß ein Schurke wie Sie gehängt wird, darauf können Sie sich verlassen! Und wenn Sie wissen, wer ich bin, wissen Sie auch, wer er ist, und er wird Sie bestrafen, für das, was Sie mir angetan haben! “
    Michel lachte leise. „Welch unsinnige, nutzlose Drohungen, ma chere !
    „Sie sind Franzose, nicht wahr?“ Jerusa sah ihn unter halbgeschlossenen Lidern an. „Sie sprechen Englisch fast so gut wie ein Gentleman, aber Sie sind Franzose.“
    Lässig zuckte Michel die Schultern. „Vielleicht. Vielleicht bevorzuge ich das Französische aber auch nur bei Kosewörtern. Ist das wichtig?“
    „Für meinen Vater wird es das sein“, erklärte sie. „Vater haßt die Franzosen aus gutem Grund, wenn man bedenkt, was sie ihm anzutun versuchten. Vermutlich ist er schon hierher unterwegs, zusammen mit Tom und meinen Brüdern, und ich möchte gar nicht daran denken, was sie mit Ihnen machen werden, wenn sie hier erscheinen und Vater erfährt, daß Sie Franzose sind!“
    „Wenn sie hier erscheinen. Das, ma belle, ist eben die Frage, nicht wahr?“ Michel griff in seine Westentasche, zog seine Uhr hervor und hielt sie ihr hin. „Es ist halb sieben.
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