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Sieg der Liebe

Titel: Sieg der Liebe
Autoren: Mirinda Jarrett
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KAPITEL
    Newport
    Rhode Island und Providence 1771
    Michel hatte nicht die Absicht gehabt, zum Haus zu gehen, nicht an dem Abend, an dem die Hochzeit stattfinden sollte. Wenn irgend jemand ihn erkannte, würde er riskieren an einem Strick zu baumeln, und wie sollte dann der Gerechtigkeit Genüge getan werden?
    Eine weitere Kutsche hielt vor dem Haus, und Michel Gericault zog sich in den Schatten der hohen Hecke zurück. Noch mehr Hochzeitsgäste, noch mehr rotgesichtige, herausgeputzte Engländer mit ihren wenig anziehenden Ladys.
    Mon Dieu, wie lächerlich sie alle waren, diese Anglais, und wie sehr er sie haßte!
    Die vordere Eingangstür wurde geöffnet, und Licht fiel auf die Straße. Anstelle des Dieners, den Michel erwartet hatte, erschien Captain Sparhawk selbst. Er begrüßte die neuen Gäste, die zur Hochzeit seiner Tochter gekommen waren. Nachdem Michel ihn eine Woche lang beobachtet hatte und ihm wie ein Schatten von seinem Haus zum Kontor und zu seinen Schiffen gefolgt war, konnte Michel ihn nun beinahe gleichgültig ansehen, ohne den glühenden anfangs empfundenen Zorn. Er wußte schon lange, daß Gefühlsregungen jeglicher Art zu Nachlässigkeiten führten, die er sich heute abend nicht leisten konnte.
    Von der Straße her hörte er das leise Lachen einer Frau und die Schritte ihres Begleiters auf dem gepflasterten Gehweg. Michel zog sich tiefer in die üppigen Sträucher zurück, die die
    Hecke bildeten. Er befand sich in einem kunstvoll angelegten Garten mit einer Laube, in der eine Bank stand. Vom Haus her drang das Gelächter der Gäste zu ihm hinüber. Jetzt hörte er auch, daß Musiker etwas weiter entfernt ihre Instrumente stimmten. Irgendwo schlug eine Kirchturmuhr achtmal.
    Er sollte jetzt gehen, ehe es zu spät war. Nur ein Narr würde bleiben.
    Aber von seinem Platz aus konnte Michel durch die offenen Fenster ins Innere des Hauses direkt in den Salon blicken. Wie bei einem Theaterstück hatte die Szene ihn, nachdem der Vorhang einmal aufgegangen war, in ihren Bann gezogen. Auf einem reichlich gedeckten Tisch in der Mitte des Raumes stand der Hochzeitskuchen, der auf einem silbernen Teller aufragte und mit weißen Spitzen aus Papier und Girlanden geschmückt war. Auf einem anderen Tisch waren die Hochzeitsgeschenke ausgestellt, ein Vermögen in Silber, das im Kerzenschein funkelte.
    Man sagte, daß Captain Sparhawk sich großzügig wie nie zuvor gezeigt hatte, um die Hochzeit seiner geliebten Tochter zu feiern. Was würde er wohl bieten, wenn sie auf einmal spurlos verschwand?
    Am anderen Ende des Hauses schimmerte etwas Weißes im Mondlicht und erregte Michels Aufmerksamkeit. Ein heller Vorhang flatterte an einem offenen Fenster. Aber warum nur? Es war doch ganz windstill. Jemand mußte den Stoff von innen bewegt haben. Michel berührte den Gürtel mit den Pistolen und dem Messer. Leise fluchte er. Er wünschte, die Straße wäre frei, damit er sich durch die Hecke hätte zurückziehen können.
    Aber zu seiner Überraschung erschien als nächstes das Bein einer Lady am Fenster, ein langes, schlankes Bein in seidenem Strumpf, der von einem grünen Band gehalten wurde. Gleich darauf schwang sich die junge Dame über den Sims und sprang ins Gras. Michel fragte sich zynisch, ob sie vor ihrem Vater oder, was wahrscheinlicher war, vor ihrem Ehemann floh, und blickte sich um, ob er möglicherweise ihren wartenden Liebhaber übersehen hatte.
    Die junge Dame blieb gerade lange genug stehen, um die Röcke zu glätten. Sie neigte den Kopf mit dem dunklen Haar und strich mit beiden Händen über den cremefarbenen Satin, daraufhin eilte sie über den Rasen. Der Stoff raschelte. Als sie näher kam, traf das Mondlicht direkt ihr Gesicht, und unwillkürlich fluchte Michel wieder.
    Sie hörte seine Stimme, blieb wie erstarrt stehen und berührte die Perlenkette, die sie um den Hals trug. Erschrocken spähte sie in die Dunkelheit, bis sie Michel bemerkte.
    „Sie haben mich ertappt, nicht wahr?“ fragte sie und lächelte unsicher. „Auf frischer Tat. Sind Sie ein Freund einer meiner Brüder? Ich bin Ihnen noch nie begegnet. “
    „Aber ich kenne Sie“, sagte Michel leise. Der Akzent in seiner sanften, tiefen Stimme war kaum noch wahrnehmbar. Es mußte beinahe zwanzig Jahre her sein, aber er hätte sie überall erkannt. „Miss Jerusa Sparhawk.“
    „Ja, die bin ich.“ Sie deutete einen Knicks an. „Sicher sind Sie ein Freund von Joshua. Er ist mein Lieblingsbruder, aber das ist wohl nur natürlich, wenn
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