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Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman

Titel: Siebzehn Silben Ewigkeit - Roman
Autoren: dtv
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Atem verschlug. Außerstande, auch nur drei zusammenhängende Worte von sich zu geben, geschweige denn, Tania eines Besseren zubelehren, verzog er seine Miene zu einem nichtssagenden Lächeln. Da die junge Frau seine Verwirrung zweifellos seiner Schüchternheit zuschrieb, drang sie taktvollerweise nicht länger in ihn und begnügte sich damit, ihm einen letzten glühenden Blick zuzuwerfen, bevor sie ihre Arbeit wieder aufnahm. Bilodo atmete von Neuem. Die Situation hatte ihn nicht nur überholt, sondern war ihm sogar ein ganzes Stück voraus. Der Anstifter dieser widerlichen Machenschaften war nicht schwer zu identifizieren: Dort hinten, am anderen Ende des Raumes, sprach Roberts diabolisches Lächeln Bände. Wie kostete dieser Schuft seine Rache aus! Bilodo griff nach seiner Jacke und machte sich eilig davon, nicht ohne Tanias angedeuteten, verheißungsvollen Gruß zu erwidern. Wütend begab er sich zu Roberts Lieferwagen, um dort auf ihn zu warten.
    Der Postbeamte tauchte zehn Minuten später auf. Mit jenem triumphierenden Grinsen, das seine abstoßende Spezialität war, erkundigte sich Robert nach dem Hochzeitstermin. Bilodo warf ihm entrüstet vor, Tania, scheinheilig wie er sei, in eine Auseinandersetzung zu verwickeln, die allein sie beide etwas angehe. Robert beteuerte spöttisch, er habe Tania lediglich eine Freude machen wollen, obgleich es ihm ein Rätsel sei, warum sie in einen elenden Idioten wie ihn dermaßen verknallt sei. Ein Idiot sei er allerdings, räumte Bilodo ein, dass er nicht früher bemerkt habe, welch ein Schwein Robert sei. Der Postbeamte erwiderte, das sei immer noch besser, als ein dummes Arschloch zu sein, und warnte Bilodo, er habe ihnnoch nicht wirklich kennengelernt, von nun an herrsche zwischen ihnen Krieg. Woraufhin er mit quietschenden Reifen davonfuhr.
    Da Bilodo aus eigener Erfahrung wusste, wie unversöhnlich Robert sein konnte, zerbrach er sich den restlichen Tag hindurch den Kopf darüber, auf welche beängstigende Weise dieser seine Androhungen wohl in die Tat umsetzen würde. Was Tania betraf, so stand jedenfalls eines fest: Er musste ihr die Wahrheit sagen, auch wenn es noch so enttäuschend für sie sein mochte.

    Roberts Drohungen sollten schon bald konkrete Gestalt annehmen. Als Bilodo am folgenden Tag im Briefsortierzentrum eintraf, sah er zu seinem Entsetzen am schwarzen Brett des Mitarbeiterraumes eine Fotokopie seines Tanka hängen, das mit seiner gefälschten Unterschrift signiert und der größeren Auffälligkeit halber auf rosa Papier gedruckt war. Weitere Kopien waren überall im Zentrum verteilt worden, vor allem in den Sortierzellen, aus denen Gelächter drang. Das gesamte Universum schien von dem Gedicht Kenntnis genommen zu haben. Es war der Witz des Tages; Bilodo begegnete niemandem, der nicht in irgendeiner Weise auf die Liebe, die Blumen oder die Gartenkunst im Allgemeinen angespielt hätte. In seiner Hilflosigkeit verschanzte sich der Briefträger hinter einem ungeselligen Schweigen und ließ stoisch dieSchmach über sich ergehen. Als er endlich seine Runde antrat, atmete er erleichtert auf, doch der dreistündige Fußmarsch reichte kaum aus, um ihn wieder zu besänftigen.
    Kurz vor zwölf Uhr mittags machte sich Bilodo auf zum »Madelinot«, fest entschlossen, mit Tania zu reden, ihr die Wahrheit zu offenbaren, doch als er durch die Restauranttür trat, merkte er, dass Robert ihm mit seinen Schlichen zuvorgekommen war: Man nahm ihn nicht zur Kenntnis, und die Gespräche verstummten, wenn er vorüberging   – nur nicht in der Ecke der Postbeamten, wo um Robert herum, der mit finsterem Blick und mittlerweile bläulich roter Nase dasaß, lauthals gelästert wurde. Bei seinem Anblick tat Tania so, als würde sie ihn nicht kennen, und verschwand in der Küche.
    »Ségolène! Ségolène!«, röhrten die Hohlköpfe schmachtend in der Ecke.
    Bilodo erblasste. In diesem Augenblick hätte er alles darum gegeben, in weiter Ferne zu sein. Beinahe hätte er auf dem Absatz kehrtgemacht, doch dann entsann er sich, dass er ja erst noch mit Tania reden musste, und ging mutig weiter. Ungeachtet des Geblöks, der Wortspiele und sonstigen subtilen poetischen Anspielungen nahm er an der Theke Platz.
    »Ségolène! Nimm mich auf deiner Schaluppe mit nach Guadeluppe!«
    Bilodo ballte die Fäuste und fragte sich, wie lange er das wohl noch aushalten würde. Tania kam mit einemTablett voll Essen aus der Küche. Er gab ihr ein Zeichen, das sie jedoch souverän übersah;
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